Das Prinzip Selbstverantwortung
vermuteten oder tatsächlichen Reaktionen des Topmanagements auf Fehler veranlassen viele Führungskräfte und Mitarbeiter, unter allen Umständen ihre Unfehlbarkeit zu beweisen. Zunächst wird der Fehler anderen zugeschoben. Ist die eigene Verantwortung eindeutig, so wird umkostümiert oder geschwiegen. Denn über Erfolge reden alle gerne. Über Misserfolge schweigen wir. Ein Scheinbild entsteht. Der englische Monty-Python-Darsteller John Cleese erzählt dazu ein interessantes Beispiel: »Ich erinnere mich an eine Fernseh-Dokumentation, in der englische und französische Schüler nach den berühmtesten Schlachten gefragt wurden, die zwischen beiden Ländern geschlagen wurden. Wie Sie wissen, sind Engländer und Franzosen Erzfeinde, die sich lustig über 1000 Jahre hinweg bekämpften. Die englischen Schüler nannten eine lange Liste von Schlachten, die mir alle bekannt waren. Dann legten die französischen Schüler eine völlig andere |196| Liste vor: Namen, die ich noch nie gehört hatte. In diesem Moment war mir klar, dass ich während meines gesamten zehnjährigen Unterrichts über englische Geschichte an einer englischen Schule niemals die Namen der Schlachten gehört hatte, die die Engländer
verloren
hatten.«
Wenn eine Regierung Geschichtsbücher manipuliert, so wird sie mit diesen »Fehlern« eine Weile durchkommen. Wenn aber ein Unternehmen von Menschen geführt wird, die Fehler als Rückmeldung vom Markt nicht wertschätzen und ignorieren, so werden sie ein angepasstes Jasagertum züchten, Risikovermeider fördern und Fehler nicht mehr als Möglichkeit zur Kurskorrektur nutzen. Das System ist nicht mehr lernfähig. Innerhalb der Abteilung wird vielleicht noch über Fehler gesprochen. Oft aber ist es lebensgefährlich, Fehler auch nach außen darzustellen. Der Anfang vom Ende vieler Unternehmen. Opfer von Richtigkeit.
Wenn wir also eine Unternehmenskultur haben, die Fehler bestraft, so wird das Unternehmen mehr und mehr vom Kurs abweichen. Der Geschäftsführer wird dem Piloten eines Flugzeugs ähnlich, der seinen Höhenmesser befragt: »In welcher Höhe befinden wir uns?« Und der Höhenmesser antwortet: »Wie hoch hätten Sie es denn gerne?«
Fünfe gerade
Es gibt sie, diejenigen, die Fehler mit der Lupe vergrößern, um andere kleinzukriegen. Tatsächlich sind viele Führungskräfte geradezu krankhaft auf Fehlleistungen fixiert. Das Motto: Fehler suchen und Schuldige produzieren. Wenn aber jeder auch noch so kleine Fehler penibel registriert und sanktioniert wird, kann sich eigenverantwortliches Handeln beim Mitarbeiter nicht entwickeln. Die »Schwachstellenanalytiker« unter den Führungskräften (»Delegieren und darauf achten, dass keine Fehler gemacht werden!«) sind selbst die Schwachstellen einer fehlerfreundlichen und damit zukunftsoffenen Firmenkultur. Wer, statt das Positive an der Mitarbeiterleistung zu sehen (»Glas halb voll«), lieber die große Lupe auf das Defizit hält (»Glas halb leer«), zementiert |197| seine Seele und die seiner Mitarbeiter. Und wer ständig mit großer Souveränität und vom Sockel hierarchischen Rangs seine Kritik (»sachlich« natürlich) versprüht, muss sich nicht wundern, wenn
angstmotivierte
Mitarbeiter die Folge sind und der Output des Gesamtsystems unter das Optimum abfällt. Frederic Vester hat nachgewiesen, dass es in einem angstfreien Prüfungsklima auf 100 Fragen 90 richtige Antworten gab. Wurden die Probanden in Angst versetzt, kamen auf 100 Fragen noch 50 richtige Antworten. Angst »halbierte« gleichsam die Problemlösungsintelligenz. Angst macht dumm.
Handelnd reagieren
Statt anzuklagen, scheint es mir intelligenter,
handelnd
zu reagieren. Der Mitarbeiter weiß selbst sehr wohl und am besten, dass er Mist gebaut hat. Er leidet selbst am meisten, selbst wenn er es zu verbergen trachtet. Das muss man nicht noch dramatisieren. Es führt schlicht zu nichts. Jetzt kann man nur noch Energie verschwenden. Der Fehler ist passiert. Daher noch einmal:
Nicht anklagen – handelnd reagieren!
Führen Sie gemeinsam ein Gespräch über den Fehler, ohne anzuklagen, kommen Sie zu einer gemeinsamen Ursachenanalyse, arbeiten Sie das Lernpotenzial gemeinsam auf. Achten Sie auch darauf, was an dem Fehler positiv ist. Konzentrieren Sie sich weniger auf das fehlerhafte Verhalten, sondern darauf, wie es richtiger wäre. Stellen Sie Fragen mehr als Angebot zur Veränderung, weniger, um herauszufinden, wie es passiert ist: Was ist
jetzt
zu tun? Was können wir daraus
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