Das Prinzip Selbstverantwortung
Stahlkocher Chaparral Steel heißt es zum Thema Fehlerrisiko: »Wie riskant ist Nichtstun?«
Risikolose Risiken
Viele Unternehmen blockieren ihre Mitarbeiter gerade beim Umgang mit Fehlern durch eine paradoxe Programmierung. Die meisten Unternehmen bevorzugen nämlich eine Unternehmenskultur, |193| die die Dimensionen »Sicherheit« und »Ordnung« ins Wappen hebt. Gleichzeitig aber schwellen die Unternehmensbotschaften nur so an vor Intrapreneurship, Innovation und unternehmerischem Handeln. Insgesamt erzeugt das ein höchst widersprüchliches Klima, das unausgesprochen so etwas wie »mutige Fehlerlosigkeit« oder »fehlerresistentes Unternehmertum« oder gar ein »risikoloses Risiko« fordert.
Solange aber die Botschaften doppelzüngig sind, verschanzen sich nicht wenige Mitarbeiter in mehr oder weniger behaglich möblierten Sicherheitscontainern und entwickeln von dort aus ihre Risikovermeidungsstrategien, nicht selten im vollen Besitz des Wissens, dass »nichts-falsch-machen-können« gleichbedeutend ist mit »etwas-gänzlich-Unnützes-tun«. Fragt man z. B.: »Wie spät ist es?«, so könnte die folgende, höchstwahrscheinlich richtige Antwort lauten: »Es ist zwischen fünf Uhr morgens und Mitternacht.« Man könnte allerdings auch antworten: »Es ist neun Minuten nach zwei«, während es eigentlich bereits zehn Minuten nach zwei ist. Es liegt auf der Hand, dass die fehlerhafte Antwort die nützlichere ist.
Je mehr man die Möglichkeit eines Fehlers auszuschalten versucht, um so weniger hilfreich wird man. Es erinnert an das englische Sprichwort: »The man who does not make mistakes is unlikely to make anything.« Oder, wie Peter Drucker es sagt: »To try to eliminate risk in business enterprise is futile. Even the attempt to minimize risks can only result in that greatest risk of all – rigidity.«
So ist es wohl: Wer nie einen Fehler gemacht hat, hat sich wahrscheinlich nicht genug eingesetzt. Wer aber Verlieren vermeiden will, hat zumeist schon verloren: Mut, Risikobereitschaft – und damit seine Selbstachtung.
Ein Problem ist kein Problem
Den Maßstab für jeden echten Lernvorgang hat Karl Popper 1981 in einer Rede formuliert: »Das neue Grundgesetz ist, dass wir, um zu lernen, … gerade von unseren Fehlern lernen müssen. Fehler |194| zu vertuschen ist deshalb die größte intellektuelle Sünde.« Viele Unternehmen haben daher erkannt, dass nicht das Fehlermachen das eigentliche Problem darstellt, sondern das
Fehlervertuschen
. Aus der Psychiatrie wissen wir: Wenn man ein Problem hat, so ist das kein Problem. Es ist das Verleugnen, dass man ein Problem hat, was die Schwierigkeit bringt. In den BMW-Führungsgrundsätzen heißt es entsprechend: »Jeder darf Fehler machen – nur nicht den, ihn zum Schaden des Unternehmens zu vertuschen.« Und in »Up the Organisation« prahlt Rob Townsend fast damit, dass er seine Geschäftspartner hauptsächlich rief, um ihnen von seinen letzten Fehlgriffen zu berichten.
Der Chip- und Telefonhersteller Motorola etwa, der 1993 bei einem Umsatz von siebzehn Milliarden Dollar mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn machte, startete 1994 eine unternehmensweite Kampagne für »Fehlertoleranz«. Nur ein extrem hohes Maß an Fehlerfreundlichkeit, so die Überzeugung bei Motorola, könne einzelnen Unternehmen in den Vereinigten Staaten insgesamt auf |195| Dauer ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten. Bei Motorola gelten zwei Grundsätze: »Der Entdecker eines Fehlers ist verantwortlich dafür, ihn zu beheben«, und: »Wir feiern Niederlagen.«
In anderen amerikanischen Unternehmen gibt es ein Ritual, in dem der »Misserfolg des Monats« annonciert wird. Was immer man von solchen Zurschaustellungen halten mag: Zweck des Rituals ist es keineswegs, den »Tollpatsch des Monats« vorzuführen, sondern den Wert »Toleranz gegenüber Fehlschlägen« ernst zu nehmen; ernst zu nehmen, dass unternehmerisches Handeln auch Misserfolge produziert und dass aus Misserfolgen viel zu lernen ist. In einem fehlerverleugnenden Umfeld allerdings werden Fehler vertuscht und deshalb auch nicht korrigiert. Noch schlimmer: es müssen Lügen und immer neue Lügen aufgetischt werden … bis schließlich für Lügen und Nebelwerfen so viel Zeit und Energie aufgewandt wird, dass für andere Dinge keine Zeit mehr bleibt. Der Mitarbeiter in einer fehlerfreundlichen Unternehmenskultur muss weniger Energie aufwenden, um Fehler zu vertuschen. Unvermeidlich sind sie ohnehin.
»Schwarzer Peter« spielen
Die
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