Das Prinzip Terz
Biels Wohnung an.«
Das Siegel an der Tür zu Biels Apartment zerriss beim Öffnen mit einem gelangweilten »Flopp«.
Auf dem Wohnzimmerboden waren die weißen Kreidekonturen eines Körpers zu sehen.
Die Kommissare verteilten sich in den Zimmern, Terz besichtigte mit Maria Lund das Bad, dann die Küche. Sammi kam aus dem Arbeitszimmer zurück.
»Feines Equipment hatte der. Damit konnte man schon einiges filmen.«
»Wo wohnst du eigentlich genau, Konrad?«, fragte Lund von der Schlafzimmertür.
Verheimlichen war zwecklos. Er zeigte mit dem Finger hinüber. »Dort ist unsere Terrasse.«
»Ihr seid praktisch Nachbarn gewesen!«
Sammi lachte schmutzig. »Vielleicht hat er dich ja auch einmal gefilmt oder abgehört, Kon.«
»Konrad Terz bei einem Nachmittagsschläfchen, Konrad Terz beim Hausaufgabenmachen mit seinen Kindern, Konrad Terz beim Schreiben, Konrad Terz mit Freunden und einem Gläschen Wein. Nicht besonders aufregend. Wenn ihr was findet, lasst es mich wissen. Vielleicht kann ich es ja einmal verwenden.«
»Schade, dass du Freitag nicht zu Hause warst. Vielleicht hättest du etwas gesehen.«
»Ja. Wirklich schade.«
Statt einer Mittagspause versammelte sich die Mannschaft in einem großen Besprechungszimmer. Neben dem Kernteam waren zwanzig Frauen und Männer der Bereitschaftspolizei anwesend. Sammi und Terz lieferten eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse. Danach wurden die Aufgaben zugewiesen: Tönnesens Nachbarn noch einmal befragen, weitere Freunde und Bekannte suchen. Am wichtigsten war, den Ursprung von Tönnesens jüngstem Geldsegen zu finden. Eine Untersuchung seines Kontos hatte mehrere Bareinzahlungen ergeben, insgesamt eine halbe Million Euro. Die Beziehung zwischen Sorius und Tönnesen musste noch einmal intensiv durchleuchtet werden. Vielleicht gab es gemeinsame Bekannte. Dasselbe galt für die Verbindungen zwischen Tönnesen, Sorius und Biel. Unabhängig voneinander hatten Biels Freunde angegeben, dass dieser heterosexuell war.
»Das ist ganz wichtig«, erklärte Sammi. »Damit scheint eine sexuell motivierte Tat nicht mehr so wahrscheinlich.«
»Vielleicht doch, in den ersten beiden Fällen«, meinte einer der Neuhinzugekommenen. »Und vielleicht erpresste Biel dann den Mörder und musste deshalb sterben.«
Zu Biel war noch viel zu tun. Wen hatte er erpresst? Wusste einer seiner Freunde über dessen lukratives Hobby Bescheid? Zwei Beamte durften sein umfangreiches Videoarchiv sichten.
Schließlich der verbrannte Tote. Terz fiel der hungrige Vito ein.
14
Meier-Hollfelden, wie Terz ihn bei sich nannte, nahm eine goldumrahmte Halbmondbrille ab, lehnte sich zurück und lud die Kommissare mit einer Geste zum Sitzen ein.
»Haben Sie schon eine Spur?«
»Ja, und dazu haben wir noch ein paar Fragen.«
»Ich helfe Ihnen gern.«
Terz wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. »Herrn Sorius’ Liebe zu den Frauen war ja kein Geheimnis. Kannten Sie seine aktuelle Begleiterin?«
»Das fragten Sie schon, glaube ich. Nein, ich kannte sie nicht.«
Sammi fuhr dazwischen: »Sie wussten nicht, dass es sich um die Frau eines Ihrer Kunden handelte?«
Meier-Hollfelden wirkte ehrlich überrascht. »Bei dieser Behauptung kann es sich nur um einen schlechten Scherz handeln.«
»Die Dame hat es zugegeben. Was meinen Sie: Wie würde ihr Mann reagieren, wenn er davon erführe?«, warf Terz ein.
Über Meier-Hollfeldens Gesicht glitt ein Schatten von Ärger. »Ich baue auf Ihre Diskretion.«
»Das kann ich mir vorstellen«, lachte Sammi gehässig.
Terz ließ sein Gegenüber nicht aus den Augen. »Und wenn Sie davon gewusst hätten?«
»Daher weht der Wind. Nun, sicher hätte ich Win nicht umgebracht. Obwohl ich im Nachhinein noch gute Lust dazu verspüre.« Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Die Frau eines Kunden …«
Meier-Hollfelden war es offensichtlich gleichgültig, um wen es sich handelte. Jetzt wollte Terz ihn ein wenig aus der Reserve locken.
»Genug von den Frauen. Wussten Sie von Sorius’ gelegentlichen Abstechern zum männlichen Geschlecht?«
Hollfelden blieb ungerührt. »Nein. Aber es gibt viele Homosexuelle unter den Kreativen.«
»Apropos Kreative. Frau Hansen arbeitet noch hier?«
»Selbstverständlich. Wer sollte diese Aufgaben sonst bewältigen? Sie kennt sich am besten mit den Kunden aus.«
Terz setzte zu einer Antwort an, doch ihm blieb der Atem weg. Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Nackte Angst kroch sein Genick hoch. Schieres, blankes Entsetzen.
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