Das Prinzip Terz
ihn mit Wasser und stellte ihn ans Bett. Leise schlabberte Vito, während Terz sich umsah, als wäre er noch nie in der Wohnung gewesen.
»Scheint, als hätten wir es mit einem Kollegen von Ihnen zu tun, Terz«, bemerkte Finnen und flippte durch Sandels Manuskripte. »Schriftsteller. Ich konnte seinen Namen allerdings nirgends unter den Büchern entdecken.«
»Vielleicht ist er weniger eitel als ich und stellt seine eigenen Werke nicht auf.«
»Oder er hat noch nie etwas veröffentlicht«, antwortete Finnen trocken und begann das Schreibtischchaos zu durchsuchen. Kurz hielt er eine der Kassettenhüllen hoch, die Terz am Sonntag dort deponiert hatte, dann legte er sie achtlos zurück.
Die Kollegen brauchten wohl einen Anstoß.
»Was ist das?«, fragte Terz.
»Eine Kassettenhülle. Da ist noch eine. Beide sind leer.«
Terz sah sich um. »Sieht hier irgendwer ein Gerät, um Kassetten abzuspielen?«
»Nein«, bemerkte Finnen, nun aufmerksam geworden.
»Zwei leere Kassettenhüllen in der kassettenrekorderlosen Wohnung eines Mannes, der von einem Voyeur mit gigantischem Tonbandarchiv verbrannt wurde«, kombinierte Sammi. Guter Mann. Er steckte jede Hülle in eine Plastiktüte und reichte sie den Spurensicherern.
»Futter«, rief der Uniformierte vom Flur. In seiner Hand knisterte eine Packung. »Das hat mir ein Hundehalter gegeben«, erklärte er atemlos.
Terz reinigte den zweiten Napf und leerte etwas von den harten Bröckchen hinein. Um seine Beine schnurrte die Katze, vibrierend wie ein Handmassagegerät. Er hatte das Gefäß noch nicht auf den Boden gestellt, da knackte sie bereits den ersten Brocken. Terz füllte den Wassernapf nach und stellte ihn daneben.
Finnen verabschiedete sich. Perrell stand mitten im Zimmer und kratzte sich am Kopf.
»Und warum hat Biel jetzt Sandel kaltgemacht?«
Lund hockte neben dem Schreibtisch und sah zu ihm hoch. »Und hatte Sandel nur mit Biel oder auch mit Sorius zu tun?«
»Das habe ich mich auch schon gefragt«, antwortete Brüning.
»Wenn Biel nicht Sandels Mörder ist, sondern nur die Leiche beiseite geschafft hat –«, überlegte Lund laut.
»– müssten wir nach dem Verknüpfungspunkt zwischen Tönnesen, Sorius, Biel und Sandel suchen. So viele kann es da nicht geben«, mischte Sammi mit.
Lund hielt ein paar Papiere in die Luft. »Vielleicht das hier. Sandel schrieb gelegentlich für den Vierländer Anzeigenkurier. Vielleicht verfasste er ja auch Werbetexte.«
Sammi präsentierte einen Pass. »So sah er aus!«
»Guten Tag. Ich komme vom Tierheim. Wegen einer Katze.« Eine ernsthafte ältere Frau war von dem Uniformierten in die Wohnung begleitet worden.
»Ach ja.«
Das Tier umrundete gerade wieder einmal Terz’ Beine. Er nahm es hoch, und Vito begann zu schnurren. Der Kater schien den Trubel um ihn zu mögen. »Das hat sich erledigt. Er möchte nicht ins Heim.«
Bevor die Frau sich über ihre vergebliche Anfahrt beschweren konnte, setzte Terz sein charmantestes Lächeln auf: »Vielen Dank für Ihre Mühe.«
Er gab dem Polizisten am Eingang ein Zeichen, und freundlich schob dieser sie aus der Wohnung.
Die erste Teambesprechung im großen Rahmen brachte nichts Neues. Aufmerksam hörte Terz jedem Detail zu, allerdings zog er andere Schlüsse als die übrigen Anwesenden. Vito hatte er im Auto gelassen, das im Schatten geparkt war.
Es gab verschiedene Hypothesen, wie die Fälle Tönnesen, Sorius, Biel und Sandel verbunden sein konnten. These eins: Ein einziger Täter hatte alle umgebracht. Von ihm war Biel gezwungen worden, Sandels Leiche zu entsorgen.
These zwei: Der Mörder und Biel waren Komplizen, die gemeinsam Tönnesen, Sorius und Sandel töteten. Danach kam es zum Streit, und der Unbekannte ermordete auch Biel, um einen lästigen Zeugen loszuwerden.
These drei: Der Fall Sandel hatte nichts mit den übrigen Fällen zu tun, und es war reiner Zufall, dass der Mörder Biel seinerseits Opfer eines anderen wurde.
These vier: Die Morde hatten nichts miteinander zu tun, wurde ganz schnell wieder verworfen. Zu viele verbindende Indizien waren bereits vorhanden.
Nicht erwogen wurde Möglichkeit fünf: Sandel und Biel hatten nichts mit Sorius und Tönnesen zu tun.
Nach fast zwei Stunden verteilten sie die Aufgaben für den nächsten Tag neu, und Staatsanwalt Finnen verpflichtete alle zu strengster Geheimhaltung. Noch sollte nicht nach außen dringen, dass man es mit einer Mordserie zu tun hatte, in der es noch dazu ein Opfer gab, das ein guter
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