Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Prinzip Uli Hoeneß

Das Prinzip Uli Hoeneß

Titel: Das Prinzip Uli Hoeneß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Bausenwein
Vom Netzwerk:
glücklich. Auch die Verlängerung schien keine Entscheidung zu bringen. Von den 30 Minuten waren bereits 24 vergangen, da verschuldete Hansen einen Freistoß. Der 36-jährige Mittelfeldspieler Luis, als treffsicherer Freistoßschütze bekannt, trat an, drehte den Ball über die sechsköpfige Mauer hinweg und dann an Maier vorbei ins kurze Toreck. Alles schien jetzt verloren. Doch dann, in der letzten Spielminute, als den Spaniern schon der finale Jubelschrei in den Kehlen steckte, kam der Moment, als »Katsche« Schwarzenbeck im Mittelfeld den Ball trieb und niemanden fand, zu dem er ihn abgeben konnte. »Wenn du im Spiel einmal über die Mittellinie läufst, darfst du nie aufs Tor schießen«, hatten ihn seine Mitspieler stets ermahnt, denn »Katsches« Schussversuche waren in der Regel grauenvoll. Aber in seiner Verzweiflung zog er diesmal, aus 30 Metern, einfach ab – und der Ball war drin. Das 1:1 kam so überraschend, dass alle für einen Moment voller Verblüffung erstarrten – dann pfiff der Schiedsrichter, und die durch eine Art Wunder erlösten Bayern fielen sich freudestrahlend in die Arme.
    Da Endspiele damals noch nicht durch Elfmeterschießen entschieden wurden, musste der Sieger in einem Wiederholungsspiel ermittelt werden. Das sollte nur zwei Tage später erneut im Heysel-Stadion zu Brüssel stattfinden. So hatte man 48 Stunden, um die Wunden zu lecken und sich Gedanken zu machen über die Fehler, die man im ersten Spiel begangen hatte. Der 22 Jahre junge Uli Hoeneß, in der Presse zuvor als »der schnellste lebende Stürmer Europas« gefeiert, gehörte zu den Bayern-Spielern, von denen die Beobachter am meisten enttäuscht waren; sein behäbiger Gegenspieler, der 34 Jahre alte Rodriguez Adelardo, hatte ihm während des gesamten Spiels kaum einen Stich gelassen. Als Susi Hoeneß am Morgen nach dem Spiel ihren Mann im Hotel »Le Grand Veneur« besuchte, sah sie sofort, dass er total deprimiert war. »Wir sagten nur ›Grüß Gott‹ zueinander und setzten uns dann auf eine Wiese. Es war ein herrlicher Sonnentag. Ich glaube, wir saßen drei Stunden wortlos da und guckten nur in die Gegend. Ich spürte, dass es besser war, meinen Mund zu halten. Irgendwie hat ihm das gut getan. Als wir uns trennten, war er ganz guter Stimmung.« Wie seine Mitspieler war auch Uli Hoeneß völlig kaputt, aber er wusste, dass die überalterten Atlético-Kicker sich vermutlich noch schwerer erholen würden als die junge Bayern-Mannschaft. Und außerdem hatte er für das Wiederholungsspiel einen Plan gefasst: »Wir müssen das Mittelfeld schneller überbrücken als am Mittwoch, damit die Spanier keine Gelegenheit haben, sich mit acht Mann zurückzuziehen. Wir Sturmspieler müssen mehr tun.« Trainer Lattek goss den Plan in den taktischen Auftrag an Müller, sich immer wieder aus der Sturmmitte zurückfallen zu lassen, dadurch seine Gegenspieler mitzuziehen und somit für die schnellen Vorstöße von Hoeneß mehr Platz zu schaffen. Mehr tun – das hieß also für Hoeneß, seine alte Rolle als voranpreschender »Jung-Siegfried« neu aufzulegen. Er interpretierte sie diesmal so bravourös wie nie zuvor.
    Schon nach einer Viertelstunde hat Hoeneß, der seinen Bewachern mit Vollgas davongezogen war, die Chance zur Führung auf dem Fuß: Gefühlvoll, aber mit etwas zu starkem Druck lupft er den Ball über den Balken. Auch Müller hat gleich darauf Pech, als sein Kopfball am Pfosten landet. Dann die 28. Minute. Breitner angelt sich kurz vor dem eigenen Strafraum den Ball, dreht sich einmal um die eigene Achse und drischt die Kugel nach vorne, dorthin, wo sein Spezi Uli wartet. Während der Ball fliegt – 40, vielleicht 50 Meter weit – sprinten Hoeneß und sein Bewacher los. Der Spanier Adelardo, der im ersten Spiel noch so souverän war, hechelt ohne Chance hinterher und muss hilflos zusehen, wie der blonde Turbo-Siegfried den mehrmals auftupfenden Ball annimmt, ihn dann mit konstant hohem Tempo in den Strafraum treibt und schließlich dem herausstürzenden Reina kaltblütig durch die Beine schiebt – 1:0.
    In der Pause herrscht in der Bayern-Kabine Zuversicht. Nach dem Wiederanpfiff ist erstmal Müller-Zeit: Vom linken Flügel flankt Kapellmann mit rechts auf den sprintenden »Bomber«, der den Ball im Sprung annimmt und dann verwandelt; das dritte Tor erzielt er mit Verstand und Gefühl per Lob über den zu weit herausgeeilten Reina – ein Weltklasse-treffer. In der 82. Minute dann die Kür von Uli Hoeneß: Breitner

Weitere Kostenlose Bücher