Das Prinzip Uli Hoeneß
»Aufrührer« und »Anarchisten« in die Vereinsführung hineinzuregieren trachteten, nichts mehr zu tun haben. »Mutti, ich trete zurück und werde nicht mehr kandidieren«, sagte er zu seiner Frau, und am Montag um neun Uhr morgens verkündete er in einer Mannschaftssitzung das Ende seiner Präsidentschaft. »Mit einem solchen Kapitän und dieser Mannschaft kann ich nicht weiter zusammenarbeiten. Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute. Auf Wiedersehen.« Für den Boulevard war die Sache ein gefundenes Fressen. »Bayern-Spieler stürzen Präsidenten«, lautete die Standard-Schlagzeile. Und Bayern-Kapitän Sepp Maier wurde live in der »Tagesschau« zugeschaltet, um zu dieser »Spielerrevolution« Stellung zu beziehen. »Wir haben weder einen Präsidenten gestürzt, noch sind wir eine Terrortruppe«, erregte er sich über die verzerrte Darstellung in den Medien. »Unser Wunsch war nicht, dass Herr Neudecker uns seinen Rücktritt erklärt, sondern wir wollten vom Herrn Neudecker ganz klare Worte hören, warum er das getan hat und warum er sich nicht noch diese Woche Zeit gelassen hat, um der Mannschaft noch einmal eine Chance zu geben.« Was danach geschehen wäre, nach dem Spiel am 24. März in Mönchengladbach, »das wäre dann die Entscheidung von Herrn Neudecker gewesen«, so Maier, »und dann hätten die Spieler gar nichts sagen können, auch ich nicht als Kapitän. Ich bin kein Anarchist, wie man mich betitelt hat, ich bin nur der Mannschaftssprecher vom FC Bayern, und es ist meine Pflicht, dass ich das, was mir die Spieler zutragen, dem Präsidenten mitteile.« Der »Revolution« folgte ein grandioser 7:1-Triumph in Mönchengladbach. »Wir haben einem gewissen Herrn gezeigt, dass es auch ohne Diktatur geht, ohne dass man die Spieler als Idioten behandelt«, triumphierte Breitner und kündigte an: »Das ist das erste Mal, dass die Mannschaft nach einem Spiel saufen geht.«
Mit der »Revolution« der Spieler war ein vorprogrammierter Konflikt zum Abschluss gekommen. Der autokratische Führungsstil des Präsidenten Neudecker passte nicht mehr zu einer Mannschaft, in der mündige und mit einem vergleichweise hohen Bildungsniveau ausgestattete Spieler das Regiment übernommen hatten. Die Zeiten, in denen ein Präsident in der Manier des Alleinherrschers unbedingten Gehorsam einfordern konnte, waren vorbei. So war der Aufstand gegen Neudecker sowohl ein Ausdruck veränderter Verhältnisse wie auch ein Anschub für einen Modernisierungs- und Professionalisierungsprozess, der nun, mit Uli Hoeneß als Initiator und Steuermann vorneweg, den gesamten Fußball in Deutschland auf einen neuen Kurs bringen sollte.
Der Beginn als Manager
Der Bayern-Manager in spe, der die revolutionären Vorgänge in München nur aus der Ferne beobachtet hatte, war am 20. März 1979 zum letzten Mal für den 1. FCN aufgelaufen. In elf Spielen für den »Club« war seine Leistung nur noch ein müder Abglanz früherer Tage gewesen. Er hatte kein Tor geschossen und für keine Torvorlage gesorgt. Seine besten Szenen, so ein Nürnberger Spieler, habe er unter der Dusche und in der Kabine gehabt, da habe er sich immer noch »wie ein Weltmeister« aufgespielt. »Uli Hoeneß spielte Fußball wie ein Automotor, den man im ersten Gang in Tourenbereiche jagt, die auf die Dauer nicht gut gehen können«, schrieb der »FAZ«-Autor Ulrich Kaiser in einer Art Nachruf. »Wenn es im Bezug auf Menschen nicht so entsetzlich klingen würde, müsste man von Materialverschleiß reden.« Der »Verschlissene« selbst sah es im Rückblick etwas freundlicher. Gut, er sei natürlich nicht richtig fit gewesen, aber: »Am Anfang, finde ich, habe ich sehr gut gespielt, die ersten paar Spiele.« Letztlich sei die Mannschaft aber einfach nicht stark genug gewesen, um den Abstieg zu verhindern.
Der »Club« lag bei seinem Abschied am 23. Spieltag auf Platz 17, hatte fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. »Zu dem Zeitpunkt«, resümierte Hoeneß, war »die Aussichtslosigkeit, den Abstieg zu verhindern, ziemlich groß. Wäre damals die große Chance noch da gewesen, den Abstieg zu verhindern, hätte ich mit Sicherheit weitergespielt bis zum Ende.« Nun also war Schluss, nach 250 Bundesligaspielen und 86 Toren, die er allesamt für den FC Bayern erzielt hatte. Und der einstige Fußballprofi entschied sich nun, vorzeitig nach München zu gehen, um sich auf seine neuen Aufgaben als Bayern-Manager vorzubereiten. Möglich geworden war diese Entwicklung nur
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