Das Prinzip Uli Hoeneß
mitgemischt hat. Als ehemaligem Klassespieler falle es ihm leicht, sich in das Denken junger Profis einzufühlen. »Ich habe in meiner Profizeit alles gesehen, jeden Trick durchschaut, ich kenne die Typen, die in diesem Geschäft mitzumischen versuchen. Mir macht keiner was vor.« Darüber hinaus sollte Hoeneß rasch bemerken, dass man es als Ex-Profi im Umgang mit Leuten, die sehr viel Geld verdienen, leichter hat, da man Vertragsgespräche mehr auf Augenhöhe führen kann: »Bei der Beurteilung von Spielern wird man eher ernst genommen.«
Der Ex-Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker mag sich der Vorteile durchaus bewusst gewesen sein, die daraus resultieren mochten, wenn man einen intelligenten, dynamischen und ideenreichen Spieler, der eben erst seine Karriere beendet hatte, an die Schaltstelle des FC Bayern setzte. Er war mit dieser Überlegung auch nicht allein. Denn Hoeneß war nicht der einzige junge Mann, der zu dieser Zeit einen Generations- und Stilwechsel in den Führungsgremien der Vereine einleitete. »Um die dreißig Jahre alt, Cordhosen, Pulli, offener Hemdkragen. Alert, gewitzt, gerissen, zu Zeiten schlitzohrig, zwei sechsstellige Einkommen – eines aus dem Job, das andere aus dem im Profigeschäft angeschafften Vermögen –, mikrofonsicher, kamerafest und eloquent: das ist der neue Manager in der Fußballbranche«, schrieb die »Zeit« und meinte damit Typen wie Netzer in Hamburg, Thielen in Köln, Assauer in Bremen und eben Hoeneß in München. Hoeneß, so heißt es in dem Artikel weiter, treibe nun »seine dritte Karriere auf die Spitze, wie stets im Self-made-Verfahren.« Die dritte Karriere – mit der ersten war die als Profi gemeint, mit der zweiten die als Geschäftsmann, deren Abrundung er noch vor sich hatte: 1983, mit der Gründung einer Bratwurstfabrik in Nürnberg.
Im neuen Job als Manager erwies es sich als großer Vorteil, dass er finanziell bereits ausgesorgt hatte – was nicht erst mit den Bratwurst-Millionen der Fall war, sondern schon 1979 durch die Einnahmen aus Werbung, Immobilien und Wertpapieren. Sein Erfolg als Geschäftsmann biete ihm perfekte Voraussetzungen für den Job als Fußballmanager, betonte er: »Weil ich der unabhängigste Mensch im Fußball bin. Weil ich alles für den FC Bayern tue, aber nichts für mich.« Diese Unabhängigkeit sei sein »einziges Geheimnis« und zugleich sein Erfolgsrezept. Er habe es nicht nötig, sich über den FC Bayern zu bereichern, er sei vollkommen unbestechlich und komme in keinerlei Versuchung, wenn etwa, wie es in der Branche üblich sei, »Freundschaftsspiel-Partner im Ausland den Preis zu drücken versuchen, indem sie dem Manager fünf- oder zehntausend Mark Provision anbieten«. Außerdem erlaube ihm die finanzielle auch eine geistige Unabhängigkeit und damit die Möglichkeit, mit einem völlig ungetrübten Selbstbewusstein als Fußballmanager aufzutreten. Denn »das Wissen, morgen sofort etwas anderes tun zu können«, spürte er, »gibt Selbstvertrauen«. Und es gibt die Freiheit, rein sachorientiert zu entscheiden.
Uli Hoeneß sei »die perfekte Symbiose aus Footballman und Businessman«, schrieb der Fußballbuch-Autor Dietrich Schulze-Marmeling. Bessere Voraussetzungen für einen Fußballmanager konnte einer tatsächlich kaum mitbringen. Und vielleicht florierte der FC Bayern unter Hoeneß auch gerade deswegen so gut, weil – anders als bei anderen Bundesligavereinen – die Zuständigkeiten für das Sportliche und das Wirtschaftliche nie getrennt, sondern stets in einer Person gebündelt blieben. All das klingt plausibel, kann aber dennoch nicht erklären, warum diese Person über so viele Jahre auf ihrem Posten aushielt. Dies führt zu dem dritten Kriterium, das Uli Hoeneß – neben den Spielererfahrungen auf höchstem Niveau und der wirtschaftlichen Unabhängigkeit – als entscheidend für eine erfolgreiche Arbeit als Fußballmanager nannte: die totale Identifikation mit dem Verein. Im Gegensatz zu seinen in flotter Folge die Vereine wechselnden Kollegen war für ihn ein Arbeitsplatzwechsel ab einem bestimmten Zeitpunkt völlig ausgeschlossen. In gewisser Weise wurde aus ihm in seinem unbedingten Engagement für den FC Bayern allmählich ein ganz neuer Mensch. Hoeneß denke auf dem Feld nur an sich, und ansonsten gehe es ihm nur ums Geld, hatte Beckenbauer während der WM 1974 seinem Mitspieler vorgehalten. Aus dem Spieler, der immerzu nur »ich« sagte und »Geld für mich«, wurde nun im neuen Job ein Mann,
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