Das Prinzip Uli Hoeneß
in Stuttgart zum Eklat. Die Bayern lagen mit 0:2 zurück, und Breitner gestikulierte wie wild auf dem Platz, schrie in Richtung Trainerbank: »Bring doch endlich den Uli rein, du Wahnsinniger.« Lorant aber wechselte – wohlgemerkt: bei einem Rückstand von 0:2! – mit Klaus Augenthaler erst einen Verteidiger ein, bevor er kurz vor Schluss und natürlich viel zu spät doch noch Hoeneß brachte. Als der ehemalige Weltklassestürmer eine Woche später nur noch in der zweiten Bayern-Mannschaft kicken durfte, kommentierte die »Welt« hämisch: »Jung-Siegfried von einst heute ausgelacht.«
Es zeichnete sich nun mit aller Deutlichkeit ab, dass die Differenzen mit dem verstockten und zu keinerlei Diskussionen bereiten Trainer nicht mehr zu kitten sein würden. Er sei wegen seines Knies »natürlich schon gehandicapt« gewesen, sollte Hoeneß im Rückblick zugeben. Das sei aber nur die eine Seite gewesen. »Auf der anderen Seite hatten wir damals mit Gyula Lorant einen Trainer, der relativ wenig Rücksicht genommen hat auf Spieler, die mal verletzt waren und die man hätte heranführen müssen. Er hat so nach der Methode gearbeitet: Vogel, friss oder stirb. Das war für meine damalige Situation natürlich schwierig.« Ihr Mann sei sensibler, als man denke, fügte Gattin Susi hinzu. Die Verstocktheit seines Trainers, die Zweifel und die Kritik an ihm hätten dazu geführt, dass er zuletzt auch selbst nicht mehr richtig an sich geglaubt habe.
Es war also höchste Zeit für eine Luftveränderung, um wieder frischen Wind zu bekommen. Am 1. November wechselte Uli Hoeneß für eine Leihgebühr von 150.000 DM zum abstiegsgefährdeten 1. FC Nürnberg. Sein Brutto-Monatsgehalt betrug laut Auskunft des stolzen »Club«-Präsidenten Lothar Schmechtig 5.000 DM.
Ein Manager im Wartestand
Am 4. November, beim ersten Hoeneß-Auftritt im Nürnberger Stadion, sahen 58.000 erwartungsfrohe Club-Fans einen motivierten, engagierten und richtig starken Uli Hoeneß – erlebten aber zugleich eine 0:2-Niederlage ihrer Mannschaft gegen Schalke 04. Als es auch in den folgenden Spielen nicht besser lief – auf Niederlagen gegen Frankfurt und Bielefeld folgte ein 0:4 in München –, begann der immer weniger überzeugend auftretende Hoeneß selbstkritisch zu werden und sprach davon, dass er die Höhen von früher möglicherweise doch nicht mehr würde erreichen können. Ganz so schnell wie einst, gab er zu, sei er sicherlich nicht mehr, aber er wolle natürlich weiterhin sein Bestes geben. »Das kommt oder es kommt nicht«, äußerte er in einem etwas fatalistischen Ton über die Chancen, sein Leistungsvermögen zu steigern, »und wenn es nicht kommt, kann man auch nichts machen.«
Uli Hoeneß fühlte die Zeit gekommen, da er sich würde Gedanken machen müssen über das, was nach dem Ende seiner aktiven Karriere folgen sollte. »Es scheint mir das Wichtigste zu sein«, erläuterte er, »dass es einem gelingt, auch nachher eine Persönlichkeit zu sein, also ohne dass man jedes Wochenende Erfolgserlebnisse auf dem Fußballplatz hat. Das strebe ich an. Ob es mir gelingt, das kann ich im Moment noch nicht sagen.« Eine Idee, was er künftig tun könnte, hatte er bereits: Fußballmanager. Im November äußerte er gegenüber dem »Fußballmagazin«: »Ich verstehe etwas von Finanzen und Geschäften. Ich verstehe etwas von Fußball und Fußballspielern. Ich bin prädestiniert für diesen Beruf.«
Sein Vorbild war Robert Schwan, der den Posten des Managers bei den Bayern bis 1977 bekleidet hatte, als er seinem Schützling Franz Beckenbauer nach New York gefolgt war. Schwan war eine starke Persönlichkeit und aufgrund seiner Selbstverliebtheit für sein unmittelbares Umfeld zuweilen nur schwer erträglich – er kenne nur zwei intelligente Menschen, hatte er einmal geäußert, »Robert Schwan am Vormittag und Robert Schwan am Nachmittag« –, doch er war auch ein Mann mit Visionen, dem insbesondere daran gelegen war, den Fußball von seinem proletarischen Image zu befreien – etwa durch die Einführung von Englischkursen für die Spieler oder durch das Buchen bester Hotels bei Auswärtsspielen. Als Spieler war Hoeneß so etwas wie der Assistent von Robert Schwan gewesen und hatte dessen Aktenkoffer tragen dürfen. »Wo immer wir mit dem FC Bayern unterwegs waren, habe ich Robert Schwan über die Schulter geschaut, und der hat mir oft gesagt: ›Du wirst mein Nachfolger.‹« Uli Hoeneß war also als Bayern-Manager in spe bereits in
Weitere Kostenlose Bücher