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Das Programm

Titel: Das Programm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Vergebens zermarterte er sich den Kopf. Doch, ein Schnurrbart. Er erinnerte sich an einen Schnurrbart. Auch das brachte die Polizei nicht weiter. Sie meinte, es müsse ein Profi gewesen sein. Offenbar ist es gar nicht so leicht, jemandem die Kehle so sauber durchzuschneiden. Nein, wiederholte Chris wieder und wieder, er habe keine Ahnung, wer ein Interesse an Lenkas Tod haben könnte.
    Am Morgen waren ihre Eltern eingetroffen. Klein, zurückhaltend, bescheiden, waren sie das genaue Gegenteil von Lenka. Er war Landarzt, sie Krankenschwester. Ihr Leid war grenzenlos. Chris hatte sich nach Kräften bemüht, sie zu trösten, aber ihr Englisch war rudimentär. Ihr Kummer zerriss ihm das Herz. Da war er fortgegangen und hatte sich abermals nutzlos gefühlt.
    Er schlug den Weg zu der Straße ein, in der sich nach ihren Worten das neue Büro befinden sollte. Die Hausnummer hatte sie zwar nicht genannt, aber er sah die Gastwirtschaft mit dem Schild, auf dem ein gelber Bär ein Bier in der Tatze hielt. Gegenüber lag ein cremefarbenes dreistöckiges Bürogebäude mit einer geschnitzten Eingangstür. Als Chris sie näher in Augenschein nahm, erblickte er fünf blank polierte Stahlschilder, die die Firmenzeichen international tätiger Anwälte, Rechnungsprüfer und Unternehmensberater trugen. Er hatte das richtige Gebäude gefunden. Doch das Büro in Prag musste erst einmal warten. Desgleichen Jan Pavlík. Der Mann rechnete sicherlich damit, dass er heute mit ihm sprechen würde. Chris musste ihn anrufen und ihm mitteilen, was geschehen war.
    Er zögerte, einen Augenblick war er versucht, in die Kneipe zu gehen und sich trotz der frühen Morgenstunde ein Bier zu genehmigen. Aber er wandte sich ab von der Wärme, die ihm aus dem Eingang entgegenschlug. Er wollte gehen, die kalte Luft auf seinem Gesicht spüren, Lenkas Tod spüren.
    So lief er ziellos durch die Straßen der Altstadt mit ihren kleinen Plätzen, ihren Kirchen und den orangefarbenen, gelben, cremefarbenen und grünen Gebäuden, die in ihrer liebevoll restaurierten, bürgerlichen Behaglichkeit Lenkas Tod Lügen zu strafen schienen.
    Er kam zur Karlsbrücke, zog den Mantel enger um die Schultern und ging bis zur Mitte, von wo aus er auf die Stadt zurückblickte. Lenka hatte hier viele Jahre lang studiert. Lebhaft konnte er sie sich in den rauschhaften Wochen der Samtrevolution vorstellen – immer an der Spitze, immer unter den lautesten Demonstranten. Eine junge, idealistische Frau, die sich auf ein Leben in Freiheit freute. Ein halbes Leben.
    Eine eisengraue Wolke lag auf der Stadt und drohte das Prager Schloss am anderen Ufer zu verschlingen. Ein schneidend kalter Wind peitschte die Moldau voran, deren Wasser gurgelnd unter ihm dahinschoss. Die Kälte drang durch seinen Mantel, er fröstelte. Was war mit Carpathian? Die Expansion konnte er sich abschminken, es würde schwer genug sein, die Firma ohne Lenka durchzubringen. Aber er war dazu entschlossen. Sie war sein Partner, sie hatte ihm vertraut, und er würde sie jetzt nicht enttäuschen.
    Er beugte sich über das Geländer der alten Steinbrücke und starrte in den aufgewühlten Fluss. Er dachte daran, wie sie sich kennen gelernt hatten, vor zehn Jahren in New York – und schaudernd erinnerte er sich an jenen anderen Todesfall.

TEIL ZWEI
     

1
    Die überfüllte U-Bahn fuhr in den Bahnhof Wall Street ein, und der zweiundzwanzigjährige Chris Szczypiorski drängte sich, gefolgt von zwei anderen jungen englischen Bankern, auf den Bahnsteig. Mit ihren jungen, frischen Gesichtern sahen sie in ihren Anzügen ein bisschen deplatziert aus. Sie hatten noch das neugierige Staunen der Touristen in den Augen, nicht den leeren, abgebrühten Blick der altgedienten New Yorker Pendler auf dem Weg zur Arbeit.
    »Ich hätte nie gedacht, dass wir hier heil ankommen würden«, sagte Chris. »Ich kann immer noch nicht glauben, was du da gerade gemacht hast, Duncan.«
    »Ich schwör dir, ich hab es im Fernsehen gesehen.« Der hochgewachsene, rothaarige junge Mann hinter ihm brachte seine Rechtfertigung mit leichtem schottischem Akzent vor. »In New York herrschen eben raue Sitten.«
    »Bist du sicher, Duncan«, meinte Ian, das letzte Mitglied des Trios auf dem Bahnsteig, »ich frag mich, ob das nicht vielleicht in Tokio war, was du gesehen hast?«
    »War es nicht«, sagte Duncan. »Du hast die Sendung schließlich nicht gesehen. Woher willst du es wissen?«
    »Jede Wette«, wiederholte Ian im Brustton der Überzeugung und

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