Das Prometheus Mosaik - Thriller
es sich zu erklären. Jetzt kam es nur auf eines an.
»Schnell!«, rief sie über das Rauschen des Wassers hinweg, das ihnen schon bis über die Knöchel reichte und rasend schnell weiter stieg. Es schäumte von hinten und vorne durch den Gang auf sie zu.
»Es hat keinen Sinn«, gab Paul zurück. »Mit mir schaffst du das nicht.«
»Wir schaffen das!«
Er sah sie an. Das Wasser, es roch brackig und war von Schlamm durchsetzt, ging ihnen nun bis zu den Hüften.
»Das ganze Netz wird mit Flusswasser geflutet«, sagte Paul. »Eine Art
Selbstzerstörungsmechanismus, der einst eingebaut wurde für den Fall, dass die Loge entdeckt würde, um alles zu vernichten.« Er schluckte. »Döberin wollte ihn damals schon auslösen – da schlug Jacob die Augen auf, und Döberin schöpfte Hoffnung …«
Es war Sara inzwischen egal, was sich damals zugetragen hatte. Sie zog Paul weiter. Er schaffte noch drei Schritte, dann konnte Sara ihn kaum mehr festhalten.
»Du musst es schaffen«, sagte er leise, aber mit erschreckend fester Stimme. Sein Blick ruhte noch immer auf ihr.
Das Wasser erreichte ihre Brust. Es zerrte wie mit Händen an ihren Beinen. Paul hätte die Strömung schon mitgerissen, wären ihre Arme nicht um ihn geschlungen gewesen.
»Wir …«
Sara verstummte. Das Gefühl von vorhin, so als führten sie einen wortlosen Dialog, der nur ihrer Blicke bedurfte, kehrte zurück. Und Paul verriet ihr ein Geheimnis.
Für einen Moment hatte Sara alles Zeitgefühl verloren. Jetzt erkannte sie, dass sie so lange dagestanden hatten, um den brodelnden Wasserspiegel bis unter ihr Kinn steigen zu lassen.
Von Paul war nur noch das Gesicht zu sehen.
Sara ließ ihn nicht los. Alles in ihr schrie danach, es zu tun. Ihre Arme taten weh, als würden sie ihr jeden Moment aus den Gelenken gerissen. Doch sie hielt ihn eisern fest.
Dem Wasser, der Strömung wohnte ungeheure Kraft inne.
Sara schloss die Augen, biss sich Zunge und Lippen blutig vor Verzweiflung und Anstrengung.
Als sie die Lider wieder aufschlug, war Paul nicht mehr da.
***
Das Mobiliar schwamm und trieb im Wasser, das kalt brodelnd in die Höhe stieg und den Raum zu füllen begann.
Theo, schon bis zur Brust im Wasser, watete auf Jacob zu. Der wich vor ihm zurück. Als Theo ihn endlich erreichte, stand ihnen das Wasser bereits bis zum Hals. Und es stieg noch höher.
Theo machte automatisch Schwimmbewegungen.
Jacob nicht.
Ob er es nicht konnte oder nicht wollte … Theo hatte eine Ahnung, er dachte jedoch nicht weiter darüber nach.
Wie tot schwebte Jacob vor ihm im trüben Wasser. Über ihnen schlug irgendetwas Funken, dann wurde es noch dunkler. Fast blind schob Theo die Hände unter die zernarbten Achseln Jacobs, schloss die Arme um seine Brust, versuchte Wasser tretend mit ihm nach oben zu schwimmen.
Es ging mühsam. Und sie waren langsamer als das steigende Wasser. Es erreichte die Decke vor ihnen.
Theo hatte fast keine Luft mehr. Es wunderte ihn, dass sie so lange gereicht hatte. Der Drang, den Mund zu öffnen, den irrsinnigen Versuch zu wagen, Wasser zu atmen, wurde fast übermächtig.
Aber noch war er es nicht.
Und Theo leistete Übermenschliches. Es war mehr als nur Todesangst, die ihn zu Höchstleistungen trieb, derer ein Mensch im Alltagsleben nicht fähig war. Weil es um mehr ging als nur um sein Leben -es ging auch um Jacob, doch auch nicht nur um dessen Leben. Es ging um das, was sie zusammen waren. Theo hatte das tief sitzende Gefühl, ohne Jacob weder leben zu können noch es zu dürfen. Sie mussten alle leben, sie konnten nur so leben – wenn keiner starb. Weil sie mehr verband als nur das gleiche Blut, wie es Brüder untereinander und Eltern mit ihren Kindern teilten.
Sie waren eins.
Natürlich sprach das aller Theorie zuwider. Wer aber hatte denn je die Praxis erfahren, wer hatte erlebt, was sie erlebten? Wer konnte mit ihnen fühlen?
Theo wusste, er hätte sich in diesem Punkt niemandem begreiflich machen können. Was sie waren, was mit ihnen geschah, das konnten nur sie verstehen. Weil es in ihnen steckte. Wie etwas Schlafendes, das nur geweckt werden musste – und geweckt worden war es durch die Nähe der anderen: der eine hatte geweckt, was von ihm im anderen steckte.
Verrückt … , dachte Theo.
Aber wahr … , dachte Jacob.
Die Strömung saugte an ihm, als er versuchte, unter Wasser die längst aufgeplatzte Tür des gefluteten Zimmers zu erreichen. Ein bemitleidenswertes Unterfangen.
Irgendwo musste es doch nach oben und
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