Das Prometheus Projekt
mehr“, stotterte sie.
In der Nähe lagen die Ruderboote des Restaurantpächters. Sie waren bereits für die Überwinterung auf Holzgestellen aufgebockt und mit Planen abgedeckt. Zwei Kanus streckten ihren Kiel in den bleigrauen Himmel. Adrian lief im Schatten der Bäume auf die Boote zu und drehte das erste Kanu um. Sie hatten Glück, unter dem Boot lagen zwei Paddel.
Er packte die Nase des Holzkanus und zog es über die nasse Wiese zum Seeufer hinab. Eve schwankte wie ein Grashalmim Wind und taumelte auf das Boot zu.
„Leg dich auf den Boden, damit dich niemand sieht.“
Eve rutschte unter die Duchten und legte sich flach auf den Holzboden. Vor wenigen Stunden hätte sie das noch für ein Spiel gehalten und begeistert mitgemacht, doch sie hatte sich verändert, seit das grauenvolle Ding sie angegriffen hatte. Innerhalb kürzester Zeit schien sie erwachsen geworden zu sein. Es kam Adrian vor, als ob sie die natürliche Entwicklung eines Menschen im Zeitraffertempo durchlebte.
Er schob das Kanu an and kletterte hinein. In einer Viertelstunde würden sie das andere Ufer erreichen. Er tauchte das Paddel ins Wasser und nahm Kurs auf das nördliche, drei Kilometer entfernte Ende des Sees.
Es begann wieder zu regnen. Bald fiel die Tropfen dicht wie ein Vorhang auf den See nieder und ließen das Kanu und seine erschöpften Insassen zu einem grauen Schemen verschwimmen. Obwohl der Regen die letzten Kraftreserven aus ihren Körpern spülte, war Adrian dankbar für den Wolkenbruch. Er verbarg sie vor neugierigen Blicken.
Außer dem Eintauchen des Paddels und dem Rauschen des Regens war es auf dem See gespenstisch still. Nach zwanzig Minuten gelangten sie unbehelligt in das Schilfdickicht am anderen Ufer. Adrian war in den vergangenen Jahren ein paar Mal hier gewesen und kannte den Weg durch das Schilf. Im Umkreis von fünf Kilometern erstreckte sich ein Naturschutzgebiet, in dem es kaum Wanderwege gab. Im Sommer brüteten hier Enten und Kormorane, die Natur war sich selbst überlassen. Es war ein Paradies für wild lebende Tiere.
Das Blockhaus tauchte aus den Regenschleiern auf. Es standdicht am See und war auf einem aus Bruchsteinen gemauerten Sockel erbaut. Der vordere Teil ragte in den See hinein und bestand aus einer breiten Veranda mit einem auf Pfählen gegründeten Anlegesteg. Adrian warf eine Leine um den Pfahl am Ende des Stegs, machte das Boot fest und half Eve aus dem Kanu. Sie schien sich nicht erinnern zu können, dass sie einmal hier gewesen war.
Adrian ging über den Steg auf das Blockhaus zu. „Kannst du dich erinnern, wo der Schlüssel ist?“, fragte er.
Eve schüttelte den Kopf. Sie sah erschöpft aus und fror entsetzlich. Woher sollte sie auch wissen, wo der Schlüssel versteckt war? Verzweiflung überfiel ihn. Er hielt diese Frau noch immer für Christina. Aber das war sie nicht, würde es niemals wieder sein, auch wenn sie so aussah und sich so verhielt.
Er tastete die Blumenkübel vor den Fenstern ab, bis ihm einfiel, dass der Schlüssel in einer hohlen Stelle über dem Türbalken verborgen lag.
Die Hütte roch feucht und muffig, wahrscheinlich war sie lange nicht benutzt worden. „Ich schau mal nach dem Strom“, sagte Adrian müde. Auch ihn verließ die Kraft. Die zahlreichen Wunden, die er davongetragen hatte, brannten und pochten wie lebende Parasiten, die sich in seinem Körper eingenistet hatten.
Neben der Hütte befand sich ein kleiner Anbau, der als Vorratsraum für Brennholz diente. Als er die Tür aufschloss, schlug ihm ein abscheulicher Gestank entgegen, und schnell fand er die Ursache: In einer Ecke neben dem Brennholzstapel lag der aufgeblähte Kadaver eines Marders. Adrian sah sich nach einer Schaufel um und fand sie hinter der Eingangstür ander Wand. Er warf den Kadaver in den See. Der Marder konnte noch nicht lange hier gelegen haben, vielleicht ein paar Tage. Ob jemand hier gewesen war und nach dem Rechten gesehen hatte? Oder war das Tier nur durch eine Ritze im Boden geschlüpft und hatte Gift gefressen?
Durch die offene Tür fegte ein feuchtkalter Wind vom See herein. Aber auch die frische Luft konnte den Verwesungsgeruch nicht vertreiben. Der verendete Marder erschien Adrian wie ein Zeichen ihres eigenen Scheiterns. Wurde die Blockhütte für Eve und ihn zur tödlichen Falle?
Die aufkommende Traurigkeit war so tief und überwältigend, dass Adrian minutenlang keinen klaren Gedanken fassen konnte. Was war, wenn diese Jagd niemals enden würde? Brads Hass war so
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