Das Prometheus Projekt
zusammengestellt hatte. Es war kein Zwang dahinter, hinter keiner seiner Anweisungen stand ein Zwang. Trotzdem verstand er es, jede seiner Entscheidungen durchzusetzen. Gideon, ausgerechnet Gideon.
IhrBlick wanderte zurück zu dem Eichenschrank mit seinem mysteriösen Inhalt. „Darf ich darüber nachdenken?“, hörte sie sich sagen.
„Aber selbstverständlich“, antwortete der Täufer lächelnd. „Lass dir Zeit.“
Miriam konnte nicht mehr sagen, wie sie in ihr Zimmer zurückgefunden hatte. Sie musste einen Ausweg finden, und zwar schnell. Denn eines würde sie niemals werden: Gideons Frau. Eher würde sie sich vom Dach der alten Sternwarte stürzen, die über dem Schulgebäude thronte.
Hinter der verschlossenen Tür legte der Täufer die Zeitung wieder auf den Tisch, in der gelesen hatte. In fetten Buchstaben berichtete das Blatt über eine unheimliche Mordserie. Wieder und wieder las der Täufer die Beschreibung des Täters, bis er keinen Zweifel mehr hatte. Noch mehr als über den versteckten Computer wäre Miriam über das Handy erstaunt gewesen, das der Sektenführer benutzte. Er wählte eine Schweizer Nummer und wartete.
„Ich möchte Dr. Alfred Hussek sprechen“, meldete er sich und wartete.
Nach einer Weile nickte er. „Ich verstehe.“
Er legte das Telefon und die Zeitung in die Schublade und verschloss sie sorgfältig. Es hatte begonnen. Gott hatte ihn dazu auserwählt, es zu stoppen. Nun musste er sich Seiner würdig erweisen.
22 Der Glasvogel
22
Der Glasvogel
Die reißende Strömung trieb Adrian gegen die Felsen in der Mitte des Flusses. Er prallte hart mit der Stirn gegen einen der glitschigen Steinbrocken und verlor beinahe die Besinnung. Der Schmerz explodierte wie ein Axthieb in seinem Rücken. Eine der messerscharfen Pfeilspitzen war durch den Lederköcher gedrungen und hatte ihm die Schulter aufgeschlitzt.
Den Bogen hatte er beim Sturz in den Fluss verloren, aber der Köcher hing noch immer über seiner Schulter. Adrian schnappte nach Luft. Ein gewaltiger Strudel zerrte an seinen Beinen und drohte ihn unter den Felsbrocken zu ziehen. Seine Hände glitten immer wieder an dem mit Moos und Algen bewachsenen Felsen ab und suchten vergebens nach Halt. Das eisige Wasser sog alle Kraft aus seinem Körper. Lange würden sie in dem kalten Fluss nicht überleben können.
Es gelang ihm, sein Gewicht nach links zu verlagern und einen Baumstamm zu packen, der sich zwischen den Felsen verkeilt hatte. Er zog sich in die Höhe, wischte sich das schmutzige Wasser aus den Augen und schaute sich um. Eve schwamm hilflos wie ein Stück Treibholz auf dem brodelnden Fluss und ging immer wieder unter. Die Strömung trieb sie auf eine Lücke zwischen den Steinen zu.
Adrian spähte flussabwärts. Der angeschwollene Fluss toste an dieser Stelle treppenförmig nach unten mit der Gewalt eines Wasserfalls. Mit einem Kanu hätte ein geübter Ruderervielleicht eine Chance gehabt, zwischen den Felsen die Stromschnellen zu überqueren, aber für Eve bedeutete der treppenförmige Wasserfall den sicheren Tod. Die Elemente spielten mit ihr wie ein Orkan mit einer Nussschale.
Adrian löste den nutzlosen Köcher und warf ihn in den Fluss. Der Schmerz in seiner Schulter strahlte bei jeder Bewegung bis in den Kiefer, auf dem Wasser trieben rote Schlieren seines eigenen Blutes. Er tastete mit den Füßen nach Grund. Erleichtert stellte er fest, dass er stehen konnte.
Das Wasser reichte ihm bis zur Brust. Eve kam rasend schnell näher. War sie erst einmal durch die Lücke zwischen den Felsbrocken hindurch, hatte er keine Chance mehr, sie einzuholen, selbst wenn sie die Schussfahrt durch die Stromschnellen überlebte. Er zerrte an einem langen Brett, das in dem angeschwemmten Treibholzgewirr steckte. Mit blutenden Fingern schob er die Bohle in das Flussbett hinein. Das Wasser drückte mit Macht gegen den Widerstand und drohte ihn mitsamt dem Brett fortzureißen. Er schrie Eve zu, sie solle sich festhalten, aber im Rauschen des Wildbaches ging seine Stimme unter.
Eve hatte ihn bemerkt. Sie schoss heran wie ein Torpedo und bekam im letzten Augenblick das Brett zu fassen. Adrian stemmte sich gegen die Strömung und zog sie Stück für Stück zu sich heran. Eve klammerte sich verzweifelt an das nasse Holz. Ihre Augen waren riesengroß und angsterfüllt. Sie war erschöpft und hatte keine Kraft mehr, sich an der Bohle entlang zu hangeln. Wenn sie nur mit einer Hand abrutschte, war sie verloren.
Auch
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