Das Puppenzimmer - Roman
gebieten können, war ich hilflos angesichts so einer Bedrohung. Aber als ob das noch nicht anstrengend genug war, musste ich auch noch meine gesamte Kraft aufbringen und das verbleibende Personal bezaubern. Zumindest anfangen musste ich damit; alle sechs konnte ich an einem Tag unmöglich schaffen, aber ich wollte es doch so schnell wie möglich hinter mich bringen.
Mit Trent fing ich an, er erschien mir am wichtigsten nach dem, was Rufus gesagt hatte, aber ich hatte keine Ahnung, ob mein Zauber an ihm wirkte. Ein tiefer Blick in seine Augen, ein paar Gesten mit der Hand, Worte in der alten Sprache – und wenn ich herausgefunden hatte, wo er schlief, und ihm einen Strauß von Maiglöckchen unter die Matratze legte, würde der Zauber auch mit jedem Morgen erneuert werden. Aber ich benötigte noch Haare von ihm dafür, und davon hatte der Mann nicht mehr allzu viele. Ich sollte welche in seinem Kamm finden können, aber was, wenn mir das nicht gelang? Fürs Erste war er mir loyal, und schlimmstenfalls musste ich den Zauber immer wieder neu sprechen. Doch das erschöpfte mich, und wenn ich jeden Tag all meine Kraft brauchte, um die Dienerschaft zu binden …
Die Maiglöckchen waren gepflückt, ich hatte mich beeilt, solange der Garten noch blühte – nicht mehr lange, und ich konnte nur noch auf die Magie des Grases bauen, auf Pilze und auf die immergrünen Eibenzweige, die ich im Irrgarten finden konnte. Als Zweites bezauberte ich die Köchin; ihre Dienste würde ich als Erstes benötigen, und ich hatte sie als ein lautes und zänkisches Weib in Erinnerung, bei dem es wichtiger war als bei allen anderen, es unter Kontrolle zu halten. Violet hatte die Zügel zu lange schleifenlassen, wenn es um das Küchenpersonal ging, und wir hatten ja gesehen, zu was das führte. Aber dafür konnte ich an Mrs. Doyle auch mit eigenen Augen sehen, dass mein Zauber wirkte, als ihr Blick leer wurde und ein Lächeln auf ihre Lippen trat. Zu hören, wie sie sagte: »Sehr wohl, Miss Molyneux, ich erwarte Ihren Befehl«, ließ mein Herz einen kleinen Hüpfer machen. Das Hochgefühl hielt, bis die Frau aus der Tür war.
Dann saß ich da, wollte am liebsten meinen Kopf auf den Schreibtisch betten und einschlafen, wo ich gerade saß, um erst in 100 Jahren wieder aufwachen zu müssen, als es an der Tür klopfte. Ich blickte auf. Im Türrahmen stand ein dürres Mädchen und blickte mich schüchtern an. »Mrs. Doyle sagte, du wolltest … Sie wollten mich sprechen?«
Ich zwinkerte. Richtig, ich hatte der Köchin gesagt, sie solle mir ihre Scheuermagd hochschicken. Schaffte ich das noch? An dem Mädchen war nicht viel dran, es mochte etwas einfältig sein und viel zu gutmütig – ich musste es versuchen. Wenn ich nicht einmal mehr die niederste Magd an mich binden konnte, war es wirklich an der Zeit, aufzugeben. »Setz dich, Lucy«, sagte ich und fühlte mich etwas seltsam. Das war nicht irgendein Mitglied des Haushaltes, sondern diejenige, mit der das Mädchen am engsten verbunden gewesen war – als wen sah sie mich nun, als Rose oder als Florence?
»Danke, dass Sie mich im Haus behalten«, sagte Lucy. Sie wirkte verstört. Nicht nur ich wusste nicht, was ich denken sollte – das Gleiche galt auch für sie.
»Solange ich Bedarf für deine Dienste habe, wirst du in Hollyhock eine Anstellung finden«, sagte ich so geschäftstüchtig, wie ich konnte. »Sag, geht es dir gut bei uns? Sollte es dir an etwas mangeln, zögere nicht, es mir zu sagen.« So ging das immer. Freundlich sein, Vertrauen aufbauen, sie waren dann viel leichter zu bezaubern, als wenn man mit der Peitsche drohte.
»Ich …«, fing Lucy an und starrte in ihren Schoß. »Ich …«
»Schau mich an, wenn ich mit dir rede«, sagte ich, vielleicht etwas zu streng, und sanfter fügte ich hinzu: »Janet.« Ich konnte niemanden unter einem falschen Namen verzaubern. Und ehrlich, mir war egal, was zwischen Violet und den Carterhaugh-Schwestern vorgefallen war.
Das Mädchen hob den Blick. Jetzt war es an der Zeit, sie in Flieder zu umfangen, ihr Herz zu packen und an mich zu binden, dass sie keinen Menschen mehr lieben sollte als mich, ihre Herrin. Aber stattdessen geschah etwas anderes. Ich selbst war es, die mich in ihren strahlend blauen Augen verfing. Es waren Menschenaugen, es war keine Magie in ihnen, und doch fühlte ich, wie mich etwas von innen nach außen krempelte. Ich wusste nicht, was es war, aber ich konnte meinen Blick nicht mehr abwenden.
Endlich bekam ich mich
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