Das Puppenzimmer - Roman
Ende haben würde mit dem Zauber von Hollyhock. Hier hatte die Feenkönigin Hof gehalten, und wo sie war, wurde sie von allem geliebt, was blühen konnte, ganz egal, welch ein Wetter außerhalb der Gartenmauern herrschen mochte, was für eine Jahreszeit. Ich konnte nicht sagen, welcher Monat es war, aber ich fürchtete den Winter, der bald Einzug halten und mein kleines Reich in eine graue Wüste verwandeln würde. Ganz leise glaubte ich noch, das Rattern der Kutsche hören zu können, mit der Rufus und Violet davonfuhren, den Hufschlag der Pferde.
Sie würden nicht zurückkehren, nicht für eine lange Zeit, das wusste ich. Aber sosehr ich mich auch darauf gefreut hatte, frei zu sein von ihnen, ihren geringschätzigen Blicken, ihrer Herrschaft, würde Hollyhock ohne sie nicht mehr dasselbe sein. Rufus hatte recht – mir fehlte Violets Macht, dem Haus meinen Stempel aufzudrücken. Ich hatte Angst, dass es um mich herum nur allzu schnell verfallen würde, die Fenster grau werden und der Garten struppig, nicht einmal, weil ich nicht genug Diener halten konnte, aber weil das Haus Violet geliebt hatte und sie vermissen würde. Konnte ich allein das Feenfeuer versorgen, dass es weiterbrannte als eine lebende Pforte ins Feenreich, oder würde es verlöschen und mich der schwarzen Verdammnis anheimfallen lassen? Ich wusste es nicht.
Feen konnten glücklich sein oder unglücklich, nichts dazwischen. Sehr glücklich oder sehr unglücklich. Die Farben der Welt waren rosig oder grau. Es konnte sehr schnell gehen, ein Schmetterling vermochte uns zu erfreuen, ein Strohhalm zu ärgern, aber seit meinem Erwachen wanderte ich allein auf der dunklen Seite der Welt und wusste nicht, wie ich sie wieder verlassen sollte. Es half nicht, dass ich im Geiste mein Sprüchlein aufsagte mit all den Sachen, die mich erfreuen sollten, aller Macht, die ich gewonnen hatte, all der Schönheit, all dem Selbstvertrauen … Es half nichts, ich wurde das Gefühl nicht los, dass das Mädchen am Ende glücklicher gewesen war als ich, aber ich konnte mich nicht erinnern, weswegen. Nur das unbestimmte Gefühl, etwas verloren zu haben, etwas Kostbares, konnte ich nicht abschütteln.
Hinter mir hörte ich Rascheln und Räuspern. Ich trat vom Fenster zurück und drehte mich um mit aller Würde, die meine niedergeschlagene Stimmung zuließ. Dort stand das Personal – mein Personal – und erwartete meine Ansprache. Ich konnte es schlecht zugeben, aber ich hatte Angst vor ihnen. Das waren nicht mehr die gesichtslosen Sklaven, die sich für Violet die rechte Hand abgehackt hätten und die linke noch dazu. Die Abreise der Königin hatte sie in Menschen zurückverwandelt, Menschen mit einem eigenen Willen, eigenen Sorgen und Wünschen, und sie sahen in mir weniger ihre neue Hausherrin, die strahlend schöne Fee, als mehr ein 14-jähriges Mädchen, das eben noch das Abendessen mit ihnen eingenommen hatte. Es konnte nicht gutgehen. Ich schluckte unauffällig.
»Es wird einige Änderungen geben«, sagte ich und war froh, wie kühl und fest meine Stimme doch klang. Solange ich nicht vergaß, wer ich war, mussten sie das auch begreifen. »Mein Vetter, Mr. Molyneux, hat mir die Schlüsselhoheit über Hollyhock übertragen, während er seinen Geschäften in London nachgeht, die dringlicher sind als alles, was ihn hier erwartet. Seine Schwester begleitet ihn dabei, so dass ich nun die neue Herrin über Hollyhock bin. Ich danke Ihnen allen für die Dienste, die Sie meiner Familie geleistet haben, und werde mich dafür auch erkenntlich zeigen, aber ich bedaure es, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich nur einen Teil von Ihnen behalten werde. Ich werde gleich die Namen derjenigen verlesen, die hierbleiben sollen. Alle anderen werden heute ihren Abschied nehmen müssen.«
Es ging besser, als ich befürchtet hatte. Sie fraßen mich nicht auf. Ein Hausangestellter musste immer damit rechnen, vor die Tür gesetzt zu werden, aus welchen Gründen auch immer. Ich brauchte mich nicht zu rechtfertigen. Es war meine Sache, wen ich in meine Dienste übernahm und wen nicht.
»Sie haben nur wenige Monate im Dienst der Familie Molyneux gestanden, aber ich werde jedem von Ihnen ein Zeugnis ausstellen, mit dem er rasch eine neue Anstellung finden sollte.«
Ich klang zu nett, aber ich wusste nicht, wie ich das jetzt noch ändern sollte. Besser gleich zum Geschäftlichen kommen. »Mrs. Arden und Mrs. Doyle, Ihrer Dienste bedarf ich weiterhin. Ebenso Mr. Trent, Dawkins und
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