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Das Puppenzimmer - Roman

Das Puppenzimmer - Roman

Titel: Das Puppenzimmer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Ilisch
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den Kopf. »Wenn Sie es mir nicht sagen wollen …«, sagte ich und spielte schüchterner, als ich war. Ich war in keiner Position zum Frechsein. Noch konnten sie es sich anders überlegen und wieder umkehren, oder noch schlimmer, mich mitten im Regen auf der Straße aussetzen. Nicht dass ich etwas gegen ein bisschen Freiheit einzuwenden gehabt hätte, aber ich wollte den Zeitpunkt, an dem ich mein großes Abenteuer begann, gern selbst bestimmen.
    »Das will ich in der Tat nicht«, sagte er und lächelte leicht. »Es würde wenig Sinn ergeben. Ich müsste es dir ein zweites Mal erklären, wenn wir erst einmal Hollyhock erreicht haben. Du wirst deine Augen brauchen, um zu lernen, nicht nur deine Ohren.«
    Mir gefiel der Name des Hauses. Hollyhock, das klang besser als St. Margaret’s. Hollyhock Hall. Das Malvenhaus. Ich stellte mir vor, dass es auf dem Land lag, weit weg von der Zivilisation, ein altes Herrenhaus, in dem die Geschwister wohnten, mit niemandem als einem alten, fast blinden Diener und ihrem Kutscher. Und natürlich rankte sich ein Geheimnis um das Haus. Es gab kein altes Haus ohne Geheimnisse.
    »Ich nehme an, Sie wollen mich nicht zur Tochter?«, versuchte ich es vorsichtig mit einer Frage, wo ich schon einmal seine Aufmerksamkeit hatte.
    »Du wirst noch erfahren, für was wir dich brauchen«, erwiderte der Gentleman. »Und du wirst damit zufrieden sein. Wir möchten kein unglückliches kleines Mädchen in unserem Haus haben. Sei brav und halte dich an die Regeln, dann müssen wir dich auch nicht bestrafen. Ungerechtigkeit liegt uns fern. Sie ist so lästig.« Wieder lächelte er in dem spärlichen Licht, das durch die Ritzen hereinfiel.
    »Ja, Mr. Molyneux, Sir«, sagte ich und nickte. »Madam.« Das sollte als Anrede erst einmal unverfänglich sein. Dass ich Worte wie » Vater « oder » Mutter « erst einmal nicht in den Mund nehmen musste, war ganz in meinem Sinn. Sie hätten sich nur fremd angefühlt. Die Molyneux’ waren nicht meine Eltern, nicht meine Familie, und sie sollten wissen, dass ich das nicht nur akzeptierte, sondern froh darüber war. Es hätte die Dinge nur unnötig erschwert. Nur dass sie mich noch keinmal nach meinem Namen gefragt hatten, störte mich ein wenig. Ich wollte nicht für den Rest meines Lebens, oder zumindest meiner Jugend, mit » Mädchen « angeredet werden. Dass ich kein Junge war, wusste ich auch so.
    »Hast du ihr die Puppe gezeigt?«, fragte die Lady ihren Bruder. Nicht mich – bis sie einmal das Wort an mich richtete, sollte es noch Stunden dauern.
    »Selbstverständlich«, sagte Mr. Molyneux. »Sie lehnte sie ab.«
    »Und wo ist die Puppe jetzt?«
    »Eine der Gören hat sie bekommen.« Das war das erste Mal, dass ich aus Mr. Molyneux’ Mund ein Wort hörte, das zu dem geringschätzigen Blick in seinen Augen passte. »Wir brauchen sie nicht mehr.«
    »Es war keine von ihren«, sagte die Lady, mehr zu sich selbst, als wollte sie ganz sichergehen.
    »Nein«, sagte er. »Natürlich nicht.«
    Und dann waren sie wieder still. Ob das an meiner Anwesenheit lag oder daran, dass sie einander nach den langen gemeinsamen Fahrten, die sie schon hinter sich haben mussten, nicht mehr viel zu sagen hatten, konnte ich nicht beurteilen, aber den Rest der Fahrt über hörte ich kein Wort mehr von ihnen.
    Die Fahrt war lang. Ich hatte erwartet, dass wir irgendwann zur Nacht vielleicht irgendwo Station machen würden, und mir versucht auszumalen, wie es wohl war, in einem echten Gasthof abzusteigen – ob ich mit den Pferden im Stall schlafen müsste oder ein Zimmer bekäme, am Ende gar eines für mich allein … Doch nichts davon. Die Kutsche fuhr und fuhr, es wurde immer dunkler, und das Rütteln, nachdem ich mich einmal daran gewöhnt hatte, schläferte mich ein. Ich dachte nur kurz daran, dass ich noch nichts gegessen oder getrunken hatte seit dem Mittagessen, und dass dieses schon eine Weile zurücklag, aber ich wollte mich nicht deswegen beschweren; die Molyneux’ aßen und tranken während der Fahrt schließlich auch nichts. Und obwohl ich mir vorgenommen hatte, sie ganz genau zu beobachten, tat ich das Gegenteil und schlief ein.
    So verschlief ich den Großteil der Fahrt, weswegen ich hinterher nicht einmal sagen konnte, wie lange sie nun wirklich gedauert hatte. Ich schlief so friedlich und fest, dass ich nicht einmal merkte, ob wir unterwegs die Pferde auswechselten oder ob wir zwei Schwestern der legendären Black Bess vor uns hatten, die ihren Herrn, den

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