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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Er nennt sich Orffyreus und ist ein großer Aufschneider!«
    Der andere Mann lachte. »Es ist immer wieder erstaunlich, welche Scharlatane der Hof anzieht. Als Nächstes behauptet einer, er könne aus Wasser Wein machen.«
    »Das wäre doch mal etwas!«, rief sein Tischgenosse, und beide brachen in lautes Gelächter aus.
    Plötzlich fuhren sie zusammen, als vom Nebentisch eine kleine Gestalt zu ihnen herübertorkelte. Sie war eingehüllt in einen weiten Mantel und hatte sich die Kapuze bis über die Stirn gezogen. Ohne Vorwarnung zog die Gestalt ein langes Messer, griff die Schulter des einen Kaufmannes und drückte ihm die Klinge an die Kehle.
    »Ihr lügt!«, lallte der Kapuzenträger. Sein Atem stank nach saurem Wein und Bier.
    Der Bedrohte hob langsam beide Hände in die Höhe. »Was meint Ihr?«, fragte er mit zitternder Stimme; er wagte nicht, den Kopf zur Seite zu drehen und den Angreifer anzusehen.
    »Der Name, den Ihr nanntet. Es kann nicht sein, dass Ihr ihn in Cassel gesehen habt. Er ist ein Gefangener, er ist auf einer Galeere!«
    »Nein, mein Herr. Ich schwöre bei Gott und dem Leben meiner Kinder, dass der Orffyreus, den ich gesehen habe und der sich als Erfinder ausgab, bei bester Gesundheit ist und in großem Wohlstand am Casseler Hof lebt!«
    Der kleine Mann nahm das Messer vom Hals des Mannes und rammte es mit einem wütenden Aufschrei in die hölzerne Tischplatte. Dann zog er es heraus, drehte sich um und schwankte zum Ausgang des kleinen Wirtshauses.
    Seine Kapuze rutschte nach hinten und gab den Blick frei auf einen großen, haarlosen Kopf, an dessen Seite die Reste eines schrecklich verstümmelten Ohres zu erkennen waren.

55
    Ich hatte das Auto so geparkt, dass es von der Straße aus im Vorbeifahren nicht zu erkennen war.
    In dem kleinen Homberger Motel checkte ich für die Nacht ein, während Julia im Auto wartete. Die Rezeption war gleichzeitig die Kasse für die angeschlossene Tankstelle. Der junge Mann hinter dem Tresen interessierte sich erfreulicherweise weniger für mich und mehr für die Zeitschrift, in der er las. Ich zahlte im Voraus in bar und erhielt im Gegenzug den Zimmerschlüssel, an dessen Ende ein Miniatur-Autoreifen als Anhänger befestigt war. Anschließend holte ich Julia und unser Gepäck.
    Die Zimmereinrichtung bestand nur aus einem Doppelbett, zwei Nachtschränkchen und einem alten Fernseher auf einer braunen Anrichte; zudem gab es ein fensterloses Bad mit Dusche. Als Erstes entledigten wir uns der Kleidung, die ein wenig nach Rauch stank. Anschließend duschten wir nacheinander und verbanden ein weiteres Mal Julias Wunde.
    Danach legten wir uns nebeneinander auf das Bett.
    Wir waren beide müde von den Ereignissen des Nachmittags und der Autofahrt, obendrein litt Julia noch etwas unter den Schmerzen ihrer Verletzung. Sie lag auf der Seite und wandte mir den Rücken zu. Ich rückte vorsichtig an sie heran und schmiegte mich von hinten an sie.
    Gerade als mir die Augen zufielen, unterbrach Julia die gemütliche Stille.
    »Es ist meine Schuld«, sagte sie. »Hätte ich Thor nicht die Druckplatten gegeben, wäre das alles nicht passiert.«
    Ich tastete nach ihrer Hand. »Blödsinn«, widersprach ich. »Hätte ich dir nicht die Druckplatten gebracht, würdest du jetzt fröhlich in deiner Werkstatt stehen und Bibeln restaurieren.«
    »Das stimmt.«
    »Dann sieht es so aus, als seien wir quitt«, stellte ich fest und drückte ihre Hand.
    »Vielleicht wäre es doch besser gewesen, zur Polizei zu gehen. Immerhin hat man uns heute eingesperrt und mit einer Waffe bedroht.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Da ich meine Bewährungsauflagen verletzt habe, würde die Polizei mich vermutlich sofort dabehalten. Und wenn wir denen etwas vom Perpetuum mobile erzählen, behalten sie dich auch gleich da. Die werden uns wohl kaum wegen eines Perpetuum mobile, das ein durchgeknallter Perückenträger vor dreihundert Jahren erfunden haben will, in eine Art Zeugenschutzprogramm aufnehmen.«
    Nun war ich wieder wach. Ich drehte mich zur Bettkante und fischte nach den beiden Gegenständen aus Schefflers Keller, die auf dem Nachttisch lagen.
    Die Herkules-Figur war etwa zwölf Zentimeter hoch und aus Holz geschnitzt. Unten, wo die Füße hätten sein müssen, war sie abgebrochen. Die Figur war einst braun bemalt gewesen, wie man an den Farbresten auf dem hellen Holz erkennen konnte. Der zweite Gegenstand war die kleine Scheibe, von der es eine Zeichnung in Orffyreus’ Buch gab. Auch sie war aus Holz

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