Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
mehr bewegen ließen. Gärtner zwängte sich hindurch und schritt über den kleinen Steinweg zum Eingang. Die Haustür stand zu seiner Überraschung ebenfalls offen.
Gärtner sah, dass es im Haus dunkel war. Ein unangenehmer Geruch strömte ihm entgegen. Vorsichtig setzte er einen Fuß über die Schwelle und ging hinein. Eine schwarze Katze drängte sich fauchend an ihm vorbei und entschwand ins Freie. Bedächtig schritt er durch die Diele. Auch in den angrenzenden Zimmern war es dunkel; nur durch die schäbigen und nicht ganz geschlossenen Fensterläden drang etwas Licht hinein. Er entschied sich, zunächst nach links in einen kleinen Wohnraum zu gehen. Ein einfacher Esstisch, zwei Stühle, und in der Ecke war ein Kamin in die Wand eingelassen. Gärtner ging zu der Feuerstelle, bückte sich und roch an den Holzresten. Dieser Kamin war bereits lange nicht mehr benutzt worden. Auf dem Tisch lagen die Überreste eines Apfels, die braun und schimmlig waren und auf denen viele kleine Fruchtfliegen saßen. Daneben befand sich ein Messer. Gärtner steckte es ein und schlich zurück in die Diele.
Er durchquerte sie und betrat ein kleines Arbeitszimmer. Nahe am Fenster, dessen Läden geschlossen waren, stand ein Schreibtisch, der mit Hunderten von beschriebenen Blättern übersät war. Überall im Zimmer lagen Bündel mit Briefen. Eine Wand war vollständig mit Bücherregalen zugestellt. Die kostbaren Einbände der Bücher, die zum Teil vergoldet waren, kündeten von besseren Zeiten. Gärtner ging zum Schreibtisch und griff nach der Schreibfeder. Er berührte die Spitze und rieb die Tintenreste zwischen seinen Fingern. Die Tinte bröckelte: Die Feder schien lange nicht benutzt worden zu sein. Mit hektischen Handgriffen blätterte Gärtner die Papiere durch, fand aber nichts von Interesse. Das Gleiche machte er mit den Stapeln von Briefen, die sich auf dem Fußboden türmten. Nicht zuletzt wegen der Dunkelheit und der Vielzahl an Schriftstücken gab er bald auf.
Gärtner kehrte in den Flur zurück und trat zur Treppe. Er blieb stehen und horchte. Als er nichts vernahm, stieg er langsam die Stufen hoch, die unter seinen Schuhen knarrten. Wenn jemand im Haus war, musste er ihn spätestens jetzt gehört haben. Er griff nach dem Messer in seiner Tasche. Als er das Obergeschoss erreichte, wurde ihm wegen des Gestanks übel. Der erste Stock bestand, wie das Erdgeschoss, aus zwei Zimmern und einer Diele.
Der erste Raum, den er betrat, war eine Kleiderkammer, in der große Unordnung herrschte. Gärtner mutmaßte, dass die Kammer verlaust war, und verließ sie schnell wieder, bevor die kleinen Blutsauger auf seine Perücke springen konnten. Das andere Zimmer war das Schlafzimmer. Nachdem Gärtner die Tür möglichst leise geöffnet hatte, blickte er auf ein Bett, das in der Mitte des Raumes stand. Es war ein Himmelbett aus dunkelbraunem Holz. Die Vorhänge waren ringsherum zugezogen, sodass zu vermuten war, dass in dem Bett jemand schlief.
Gärtner horchte. Kein Schnarchen war zu vernehmen. Mit weichen Knien schlich er sich an das Bett heran, das Messer in der Hand. Als er endlich vor dem schweren Vorhang aus Samt stand, atmete er einmal tief durch. Die faulige Luft raubte ihm fast die Besinnung. Nachdem er innerlich bis drei gezählt hatte, griff er nach dem Vorhang, riss diesen mit einer Hand blitzschnell zur Seite und hob die andere, um gegebenenfalls zuzustechen.
Kaum hatte er aus den Augenwinkeln die Gestalt auf dem Bett gesehen, erschlaffte sein Arm, und das Messer fiel zu Boden. Gärtner wankte bleich zurück. Im nächsten Moment ging er in die Hocke und erbrach sich. Nachdem auch das letzte bisschen Mageninhalt herausgewürgt war, rappelte er sich auf und zwang sich zu einem weiteren Blick auf das Bett.
Obwohl ihm schwindelig war, zog er den Vorhang wieder zu und suchte panisch nach dem Messer, das unter das Bett gefallen war. Als er die Klinge gefunden hatte, rannte er aus dem Schlafzimmer, hetzte die Treppe hinunter und verließ geradezu fluchtartig das Haus. Draußen erwartete ihn die Katze, die nur einige Meter vom Eingang entfernt saß und maunzte, während er gierig nach frischer Luft schnappte. Schnell eilte er zu seinem Pferd und dankte dabei Gott, dass er ihn vor einer großen Sünde bewahrt hatte.
Der alte Leibniz war tot – und das war das Einzige, was zählte.
57
»Schade um den schönen Whiskey«, sagte Rose, während sie mit spitzen Fingern die Scherben aufsammelte, um sich nicht zu schneiden.
Die
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