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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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erkennbar. Auch in ihr schienen kleine Fenster zu sein. Orffyreus drehte den Kopf und schaute hinab ins Tal. Sie hatten etwa die Hälfte des Treppenaufgangs hinter sich gebracht. Von hier konnte er sehen, wie die Wasserkaskaden steil hinabfielen. Am unteren Ende war ein großes Becken zu erkennen, in das sich das Wasser ergießen sollte.
    »Ihr schaut auf das Neptunbecken«, merkte der Landgraf an. »Dort hinein fließt das Wasser und dann weiter durch unterirdische Abflüsse in die Fulda.«
    Orffyreus suchte nach seinem Taschentuch, fand es schließlich und trocknete sich damit die Stirn.
    »Oben werden wir uns erfrischen«, versprach der Landgraf, dem die Erschöpfung seines Begleiters nicht unbemerkt blieb. »Der alte General Gosch wartet im Oktogon auf uns. Er ist der Röhrenmeister.«
    »Der Röhrenmeister?«, fragte Orffyreus irritiert.
    Der Landgraf schmunzelte. »Was denkt Ihr, wie die Wasserspiele mit Wasser gespeist werden?«
    »Die Zeichnungen, die Ihr mir vor Jahren gesandt habt, zeigen ein Sammelbecken, das hoch oben über dem Oktogon gelegen ist«, erwiderte Orffyreus.
    »So ist es! Ihr habt die Pläne vorzüglich studiert. Das Schmelz-und Regenwasser sammeln wir im Sichelbachbecken. Viele Jahre haben meine Soldaten geschaufelt, damit ein ausreichend großes Becken entsteht. Wenn sie schon keinen Krieg zu führen haben, sollen sie sich wenigstens nützlich machen. Vom Becken aus ließ ich von meinen Bergarbeitern acht Schritte tief einen Stollen durch die Erde graben, der zum Oktogon führt. Am Oktogon mauerten wir den Unglücksteich, um die Wassermassen aufzufangen. Von dort führen dann weitere unterirdische Röhren zur Vexierwassergrotte, wo das Wasser endlich austritt, um dann diese Kaskaden hier hinabzufließen. Der Wasserfluss wird vom Röhrenmeister durch große Schieber reguliert. Er wohnt oben in einem Haus am Unglücksteich.«
    »Warum ›Unglücksteich‹?«, wollte Orffyreus wissen.
    »Einer der Arbeiter verunglückte dort kurz vor der Fertigstellung. Eine traurige Geschichte. Lasst uns an diesem Tag von etwas anderem sprechen!«
    »Ist denn alles so umgesetzt, wie wir es die letzten Jahre zusammen geplant haben?«, fragte Orffyreus. »Habt Ihr Euch an meine Vorgaben gehalten?«
    »Nur Geduld. Dazu kommen wir oben, mein Freund. Schluss mit der Plauderei. Wir sind spät dran!« Der Landgraf blickte zum Oktogon hoch und begann, die Stufen hinaufzuspringen.
    Orffyreus folgte ihm rasch – und glitt in der Eile auf einer der Stufen mit den neuen Schuhen aus. Zwar konnte er im letzten Augenblick einen Sturz verhindern, doch sein Fuß knickte um. Beim nächsten Auftreten schoss ein Schmerz ins Bein, und er schrie laut auf und fluchte.
    Der Landgraf blieb stehen und schaute zu seinem Gast zurück. »Geht es?«
    »Ich fürchte, ich habe mir etwas verrenkt, vielleicht sogar gebrochen«, antwortete Orffyreus und stöhnte.
    Der Landgraf deutete auf zwei der Lakaien, die die Taschen mit dem Proviant geschultert hatten. »Tragt ihn, Burschen. Und nun Beeilung, wir sind spät!«
    Die Lakaien fassten Orffyreus links und rechts unter der Armbeuge, dann ergriffen sie gegenseitig die freie Hand des anderen und boten Orffyreus so mit ihren Armen eine Sitzgelegenheit. Er nahm diese Unterstützung dankbar an, umschlang mit seinen Armen die Schultern der beiden Diener und ließ sich von ihnen die Stufen hinauftragen. Beide Bediensteten ächzten laut unter der Last.
    »Passt mir auf meine Schuhe auf!«, rief Orffyreus aus, als einer der Diener mit dem pendelnden Proviantbeutel dagegenstieß. »Die sind neu!«

59
    Dr. Mathias Böge war bereits seit achtundzwanzig Stunden im Dienst. Unter den Ärzten im Kasseler Klinikum wütete eine Grippe, und so hatte er an diesem Wochenende gleich zwei Schichten hintereinander. Zum Glück hatte sich vor einer halben Stunde die Möglichkeit ergeben, in den Bereitschaftsraum zu gehen und sich einen kurzen Blitzschlaf zu gönnen.
    Nun fühlte er sich etwas erholt. Mit einem Becher rabenschwarzen Kaffees in der einen und einem Klemmbrett mit den Patientendaten in der anderen Hand machte er sich auf den Weg zur Visite. Der Patient war am Nachmittag eingeliefert worden und hatte Brandverletzungen erlitten. Eventuell musste Haut vom Oberschenkel ins Gesicht transplantiert werden. Da der Mann bereits siebenundsechzig Jahre alt war, hatte man sich bemüht, ihn nach der Einlieferung erst einmal ruhigzustellen und seine Vitalfunktionen zu stabilisieren. Eine Infusion mit

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