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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Schließlich baute er eine Maschine, die das Wasser durch die Rohre pressen sollte. Und wisst Ihr, was passierte?«, fragte der General mit trauriger Stimme.
    Orffyreus schüttelte etwas unbehaglich den Kopf.
    »Lasst gut sein, General!«, mahnte der Landgraf und legte dem General die Hand auf die Schulter. »Ihr lebt zu sehr in den vergangenen Zeiten! Zeigt lieber meinem Gast, wie Ihr hier oben alles regelt. Ich habe ihm bereits von dem Sichelbachbecken und dem Stollen erzählt.«
    »Hat der Landgraf Euch auch unterrichtet, dass das Wasser im Becken immer weniger wird? Jedes Jahr gibt es weniger Schnee, dessen Schmelzwasser die Bäche und Stauseen füllt. Die Wasserspiele finden daher mittlerweile nur noch an wenigen Tagen im Jahr statt!«
    »Deshalb bin ich hier, mein lieber General«, erklärte Orffyreus. »Und glaubt mir, ich habe mehr als nur Dampf dabei. Dampf ist nur Wasser in anderer Form. Dies wäre so, als würdet Ihr Erde in Staub verwandeln. Eine närrische Idee, im Dampf nach Kräften zu forschen. Ich hingegen führe eine Kraft mit mir, die von Gott gespendet worden ist. Sie ist unendlich ergiebig!«
    Der General schaute misstrauisch. »Zumindest große Worte führt Ihr mit Euch!«, grummelte er.
    »Große Worte von einem großen Mann!«, ergänzte der Landgraf und legte Orffyreus seinen Arm um die Schulter. »Glaubt Ihr, ich hätte ihn sonst an meinen Hof beordert? Vertraut ihm, General. Und nun kommt, wir haben reichlich Proviant für einen hungrigen Mann dabei. Lasst uns etwas essen! Und danach habt Ihr ausreichend Gelegenheit, alles zu inspizieren, Inventore! «
    Einige Stunden später stiegen der Landgraf und Orffyreus wieder hinab ins Tal, wo die Kutschen warteten. Dieses Mal benutzte man die Stufen auf der anderen Treppenseite. Orffyreus war vom Landgrafen überredet worden, sich abermals von den Dienern tragen zu lassen.
    »Was meinte der General, als er über diesen Denis Papin und seine Dampfmaschine sprach?«, fragte Orffyreus auf halbem Weg.
    »Es gab ein Unglück«, antwortete der Landgraf ungewohnt wortkarg und konzentrierte sich auf den Abstieg.
    »Was ist passiert?«, hakte Orffyreus nach.
    »Die Maschine dieses unglückseligen Franzmannes funktionierte gar nicht schlecht. Der Dampf trieb eine Pumpe an, die das Wasser unten im Neptunbecken statt in die Fulda zurück in die Bleirohre presste. Doch der Druck war zu stark. Eines der Rohre zerbarst, und die Teile trafen einen der umstehenden Männer am Kopf. Er starb.«
    »Daher also der Name ›Unglücksteich‹«, folgerte Orffyreus.
    »Ganz recht«, erwiderte der Landgraf.
    »Und warum sprach der General so voller Trauer darüber?«
    »Der Getötete war sein Sohn«, entgegnete der Landgraf und blieb kurz stehen, um hinunter zum Schloss und dann hinauf zum Oktogon zu blicken. Auch die Diener, die Orffyreus trugen, blieben mit vor Anstrengung zitternden Beinen stehen. Beide Männer schauten über die steil abfallenden Wiesen und schwiegen für einen Augenblick.
    »Niemand sollte seine Kinder überleben«, sagte Orffyreus schließlich.
    »Ich habe bislang sieben meiner Kinder überlebt«, erklärte der Landgraf. »Sechs sind mir geblieben. Wenn man so lange auf der Welt ist wie ich, lernt man, dass nichts ewig währt – und am wenigsten das Leben.«
    »Dies stimmt nicht, Eure Durchlaucht. Mein Rad ist in der Lage, sich ewig zu drehen. Es muss also so etwas wie Ewigkeit geben.«
    Der Landgraf seufzte. »Insofern verkündet Euer Rad Hoffnung.«
    »Hoffnung, die Euer Oktogon mithilfe meines Rades verkünden wird«, bemerkte Orffyreus, der leicht zurückgelehnt in den zur Schaukel geformten Armen der Lakaien saß. Als würde er ein Pferd anleiten, gab er den Burschen durch eine ruckartige Bewegung seines Körpers zu verstehen, dass sie sich in Gang setzen sollten. Ächzend machten sich die jungen Männer wieder auf den Weg nach unten.
    »Kommt, Eure Durchlaucht, die Dämmerung bricht bald an!«, rief Orffyreus nach einigen Augenblicken dem Landgrafen zu, der stehen geblieben war und nachdenklich zum Oktogon hinaufschaute.
    Die Konturen des achteckigen Bauwerks zeichneten sich vor der untergehenden Sonne schwarz ab. Schließlich folgte der Landgraf mit einigem Abstand.
    »Passt mir ja mit meinen neuen Schuhen auf, sonst setzt es eine Tracht Prügel!«, hörte er Orffyreus’ Stimme laut drohen.

61
    Ich flog.
    Nicht in einem Flugzeug, denn der Wind schob meine Gesichtshaut nach hinten bis zu den Ohren und zog an meinen Haaren, als wollte er sie

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