Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
den Heimweg begeben.
Lediglich eine kleine Riege, die zumeist aus älteren Männern bestand, saß noch um einen Tisch im großen Sitzungssaal versammelt. Die Laterne draußen vor dem Eingang in der Crane Court war gelöscht, und drinnen verlieh das Licht der wenigen Kerzen den Gesichtern der Anwesenden ein dämonenhaftes Aussehen.
Aus tiefen Augenhöhlen blickte Newton in die Runde der Versammelten und berichtete mit heiserer Stimme: »Ich erhielt heute einen erfreulichen Brief vom Herrn Hofbaumeister Gärtner aus Cassel. Endlich läuft dort alles nach Plan. Orffyreus hat die Wette erwartungsgemäß akzeptiert. Mehr noch: Das Rad muss nun sogar dreißig Tage ununterbrochen laufen.«
»Und er hat sich tatsächlich auf einen Wetteinsatz von tausend Talern eingelassen?«, fragte William Cowper ungläubig.
Newton schüttelte den Kopf. Enttäuscht lehnte Cowper sich zurück.
»Um zweitausend Taler«, bemerkte Newton mit einem triumphierenden Lächeln. Gelächter erhob sich.
»Zweitausend Taler? Dieser Narr!«, rief William Jones höhnisch.
»Wir hatten aber nur einen Betrag in Höhe von tausend Talern bewilligt«, stellte Cowper fest. »Wer bringt die restliche Summe auf, wenn Gärtner doch verliert?«
»Das ist Gärtners Problem«, erwiderte Newton. »Er wird die Wette aber gewinnen. Orffyreus wird verlieren und somit schon bald völlig verarmt sein.« Newton blickte zufrieden in die Runde.
»Er wird zudem sein Gesicht verlieren, und der Casseler Hof wird ihn als Betrüger verbannen«, ergänzte Cowper. »Niemand wird ihm danach noch Glauben schenken.«
»Verzeiht die Frage, aber was macht Euch so sicher, dass er die Wette tatsächlich verlieren wird?«, fragte Hans Sloane.
Augenblicklich herrschte Schweigen am Tisch, und die anderen schauten zunächst ihn und dann Newton verwundert an.
»Wie meint Ihr das?«, entgegnete Newton mit scharfem Unterton und fixierte den Fragesteller.
Sloane ließ sich davon nicht beirren. »Wart Ihr es nicht, der gesagt hat, dass das, was wir wissen, lediglich ein Tropfen ist und das, was wir noch nicht wissen, ein ganzer Ozean? Was, wenn dort irgendwo im Ozean doch ein Perpetuum mobile herumschwimmt?«
Newton atmete tief durch. »Ihr zitiert mich richtig. Jedoch galt dies Zitat nicht der Mechanik. Sie ist abschließend durch meine Schriften beurteilt. Im Ozean leben keine Hirngespinste – und um ein solches handelt es sich bei einem Perpetuum mobile.«
Die anderen Anwesenden pflichteten ihm lautstark bei.
»Und was hat es dann mit der Marquise auf sich?«, hakte Sloane nach.
»Mit welcher Marquise?«, erkundigte sich Cowper und sah Newton fragend an.
»Unser Freund Sloane meint die Marquise de Langallerie«, erläuterte Newton. »Sie ist die Mätresse des Landgrafen von Hessen-Cassel.«
»Etwa die Ehefrau des Phillipe de Gentil, dem Marquis de Langallerie?«, fragte Jones verwundert.
»Genau die«, bestätigte Newton.
»Der Marquis sitzt eingekerkert in Wien!«, bemerkte Cowper. »Er soll mit den Türken einen Vertrag geschlossen haben, in dem vereinbart wurde, den Papst zu stürzen. Sein Sekretär Meyer soll ihn an den Vatikan verraten haben! Man erzählt sich, dass er in Hannover festgenommen und von den Engländern an Österreich ausgeliefert wurde!«
»Ihr seid gut informiert«, lobte Newton. »Nur befindet der Marquis sich nicht mehr in Wien, sondern hier in London.«
»In London?«, rief Cowper erstaunt.
»König George hat sich auf meine Initiative hin für ihn eingesetzt«, offenbarte Newton. »Er wartet nun hier im Tower auf seine Freilassung – oder aber auf seine Hinrichtung.«
»Und was habt Ihr damit zu schaffen?«, wollte Jones wissen.
»Ich habe der Marquise de Langallerie in Cassel mitteilen lassen, dass ich ein gutes Wort für Ihren Ehemann einlegen könnte, wenn sie uns einen Gefallen erweist.«
»Und der wäre?«, fragte Sloane.
»Die Marquise wird dafür sorgen, dass Orffyreus auf gar keinen Fall gewinnt«, antwortete Newton. »Immerhin findet die Wette in den Gemächern des Schlosses Weißenstein statt, zu denen die Marquise freien Zugang hat. Im Gegenzug werde ich dafür sorgen, dass der Vater ihrer Kinder begnadigt wird.«
Die versammelten Männer klopften zustimmend auf den Tisch vor sich.
»Wenn aber ein Perpetuum mobile nicht möglich ist, warum versichert ihr Euch dann der Dienste der Marquise, um die Wette zu beeinflussen?«, bohrte Sloane nach.
Newton warf ihm einen bösen Blick zu, der im dämmrigen Schein des Kerzenlichts noch
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