Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Urlaub eingereicht. Fliegt irgendwo nach Afrika.« Adams ging zum Monitor und beobachtete den blinkenden Punkt, der sich auf der dargestellten Landkarte langsam nach Süden bewegte. »Prüfen Sie, welche anderen Züge kurz nach diesem IC in Mainz losgefahren sind!«, befahl er.
Jonson tippte etwas in seinen Computer. »Es sind innerhalb der nächsten halben Stunde neunzehn Züge in Mainz gestartet«, erklärte er nach kurzer Zeit.
»Und auf demselben Gleis?«, fragte Adams.
»Zwei. Der erste Zug fährt nach Stettin, der zweite nach Lausanne.«
»Und auf dem gegenüberliegenden Bahngleis?«
»Zwei Regionalzüge. Einer nach Aachen und einer Richtung Norden.«
Adams schaute auf die Liste der angezeigten Züge. »Fährt der Zug, der nach Norden unterwegs ist, über Kassel?«
Jonson rief einen Fahrplan auf und zeigte auf eine der angezeigten Haltestellen. »Kassel Hbf« stand dort.
»Ich wette, sie sind auf dem Weg nach Kassel«, sagte Adams.
»Und was ist mit dem Handy von Thor Ericson, das wir geortet haben?«, fragte Jonson.
»Bloß ein Ablenkungsmanöver«, antwortete Adams. »Sergeij und Dimitrij sollen sofort umdrehen und nach Kassel fahren. Mario kümmert sich um den Zug nach Süden. Er soll sich melden, wenn er das Handy gefunden hat.« Adams ging zur Hotelbar und entnahm eine kleine Flasche Rotwein und ein Glas. Nachdem er den Verschluss aufgeschraubt hatte, roch er an der Flaschenöffnung. Er verzog das Gesicht und goss trotzdem etwas Wein in das Glas.
»Wieso sind Sie so sicher, dass die nach Kassel wollen?«, erkundigte sich Jonson.
Adams hielt das Glas schräg vor sein Gesicht. »Wissen Sie, dass zwischen 1865 und 1868 fast achtzig Prozent der Weinernte in Frankreich zerstört wurde?«
Jonson schüttelte den Kopf.
»Können Sie sich vorstellen, wodurch das passierte?«
Wieder verneinte Jonson.
»Durch Viteus vitifoliae , auch bekannt als ›Reblaus‹. Ein winziges Tier, gerade einen Millimeter groß, das eine Katastrophe verursacht hat.« Jonson schaute verunsichert, während Adams fortfuhr: »Der kleine Schädling war mit Weinreben aus der Neuen Welt eingeschleppt worden. Die europäischen Pflanzen hatten diesem unbekannten Insekt nichts entgegenzusetzen. Tausende von Weinbauern verloren damals ihre Existenz. Wissen Sie, wie man das Teufelsviech schließlich besiegt hat?«
»Nein, Sir!«, antwortete Jonson.
»Man hat aus Amerika, von wo der Schädling ursprünglich kam, gegen die Reblaus resistente Weinstöcke importiert. Die Ursache und die Lösung des Problems kamen also vom selben Ort.«
Jonson kratzte sich am Kopf.
»Wissen Sie, was mich das lehrt?« Adams erwartete keine Antwort, sondern sprach weiter. »Man soll am Ort des Übels nach dessen Lösung suchen. Das Übel, das wir gerade bekämpfen, hat seinen Ausgangspunkt vor dreihundert Jahren in Kassel genommen. Und deswegen werden wir dort nun auch die Lösung finden.«
»Ich rufe Sergeij und Dimitrij sofort an«, sagte Jonson lächelnd und griff nach einem Telefon.
»Und ich helfe Wilson beim Packen«, erklärte Adams. »Sie finden mich ab sofort in seinem Zimmer!«
Jonson gab ein Zeichen, dass er bereits telefonierte.
78
Cassel, 1717
Er, der ehemalige Bürgermeister des kursächsischen Sekundogenitur-Fürstentums Sachsen-Merseburg, diente nun als einfacher Garnisonswachmann in Hessen-Cassel.
Der Parkwächter, dem er den verletzten Jungen überlassen hatte, war tatsächlich beim Platzmajor gewesen, um für ihn ein gutes Wort einzulegen. Dieser bot ihm nach kurzem Gespräch den Eintritt in den Garnisonsdienst an. Gleichzeitig erhielt er, nachdem er behauptet hatte, dass ihm seine Dokumente gestohlen worden waren, noch in der Garnison neue Papiere ausgestellt. Er hatte sich als Wilhelm Schwander aus Duderstadt ausgegeben und sich rasch an den neuen Namen gewöhnt.
Als noch junger Bürgermeister hatte er einmal einen Mann dieses Namens exekutieren lassen. Dieser war als Arzt eines unglaublichen Verbrechens überführt worden. Man hatte ihn dabei ertappt, als er versuchte, einem Knaben, der auf dem Feld von einer Sense getroffen worden war, dessen letztes Blut aus den Venen abzuzapfen. Über einen langen Schlauch hatte er es in seine eigene Armvene einfließen lassen. Zunächst behauptete der Arzt, er habe sein eigenes Blut dem Jungen spenden wollen, um ihn zu retten. Unter Folter verabschiedete er sich von diesem Hirngespinst und gestand, dass er glaubte, von Dämonen besessen zu sein, und diese mit dem Blut des unschuldigen
Weitere Kostenlose Bücher