Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
auf dem Bauch und schlief immer noch. Ich gab dem Rad einen etwas festeren Stoß. Es nahm ruckartig Schwung auf, wodurch der kleine Holz-Herkules ins Wanken geriet und die Klebestreifen rissen. Holzfigur und Rad stürzten in die Mitte des Oktogons. Ich legte beides neben das Modell.
In diesem Augenblick klingelte das Telefon im Badezimmer. Eilig sprang ich auf und eilte dorthin. Am anderen Ende war wieder Stefan aus Zürich.
»Eine schwierige Sache«, sagte er mit seinem breitgezogenen Schweizer Akzent. »Die Stiftung wurde erst vergangene Woche gegründet und eingetragen.«
»Erst vergangene Woche?«, wiederholte ich. Das kam mir sehr komisch vor.
»Woher ihr Vermögen stammt, ist nicht publiziert. Es scheint so zu sein, als wenn jemand Wert darauf legt, dass dies verborgen bleibt.«
Mein Herz schlug schneller. Bei dieser Stiftung schien tatsächlich etwas nicht zu stimmen.
»Ich habe mich ein wenig umgehört«, fuhr Stefan fort. »Wir haben viele Freunde, auch unter Notaren. Darüber habe ich erfahren, dass für die Stiftung ein gewisser John Adams die Vermögenstransaktionen gezeichnet hat. Das bleibt aber unter uns, hörst du?«
»Selbstverständlich!«, erklärte ich.
»Mehr kann ich für dich leider nicht tun.«
»Ich danke dir; mit diesen Auskünften hast du mir sehr geholfen!«
»Wenn du tatsächlich in die Schweiz kommst, melde dich auf jeden Fall bei mir. Vielleicht gehen wir mal wieder zusammen Ski fahren? Meine Familie hat ein schönes Chalet in Gstaad.«
»Mach ich auf jeden Fall. Tschüs … Und noch einmal ein Dankeschön!«
»Adele!«
Ich legte auf. Auch das Klingeln des Telefons hatte Julia nicht wecken können. Ich ging zum Laptop und gab in der Suchmaschine den Namen »John Adams« ein. Es gab über vierzehntausend Treffer. Ich klickte mich durch die Ergebnisse. Gerade wollte ich aufgeben, als mir ein Link ins Auge sprang. John Adams Gastredner bei der Jahrestagung der Royal Society in London stand dort geschrieben. Ich öffnete die Webseite und wurde zu einem Bericht über eine Tagung in London geführt. John Adams hielt einen Vortrag über die Geschichte der Wissenschaft in Europa hieß es dort.
»Das gibt’s ja nicht!«, rief ich laut aus.
Es schien so, als hätte ich unsere Verfolger erneut unterschätzt. Wie konnte es sein, dass sie zehn Millionen Euro für einen Blick in die Herkules-Statue investierten? Ich schaute auf das Modell des Oktogons, neben dem der heruntergefallene Holz-Herkules und das Rad lagen. Aus dem Rad ragte die Nadel senkrecht empor.
»Was gibt es nicht?«, fragte Julia schlaftrunken.
Sie hatte sich im Bett aufgesetzt und blickte mich durch einen Schleier aus zerzausten Haaren schlaftrunken an. Ich sprang zu ihr aufs Bett und erzählte ihr von meiner jüngsten Entdeckung.
Sie ließ sich wieder nach hinten ins Kissen fallen und stöhnte laut auf. »Umso wichtiger, dass wir heute Nacht vor ihnen einen Blick in die Statue werfen.«
Sie schien wirklich entschlossen zu sein, der Sache auf den Grund zu gehen. Mir allerdings war immer noch nicht ganz geheuer bei dem Gedanken, aber ich wollte es ihr gegenüber nicht zugeben. Ich strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und fuhr mit der Hand sanft über die Wange.
»Wir schaffen das schon«, sagte ich mit der mir größtmöglichen Zuversicht; mit diesen Worten wollte ich hauptsächlich mir selbst Mut zusprechen.
Von ihrer Wange glitten meine Finger langsam die zarte Haut ihres Halses hinab. Sie schloss die Augen und neigte ihren Kopf zur Seite. Ihr Atem wurde schneller; jede meiner Zärtlichkeiten schien sie zu genießen. Trotz der Gefahr, die uns durch unsere Verfolger drohte, fühlte ich mich plötzlich so glücklich wie lange nicht mehr. Ich beugte mich über sie und küsste ihren Hals. Ihre Arme umschlangen mich, und ihre Hände wanderten langsam meinen Rücken hinab. Voller Verlangen pressten wir die Lippen aufeinander und befreiten uns gegenseitig mit hastigen Griffen von unserer Kleidung.
84
Bettenhausen bei Cassel, 1717
Die Kutsche erreichte den Messinghof zur Mittagsstunde. In langsamer Fahrt passierte sie das Eingangstor und steuerte geradewegs das Hauptgebäude des Hofes an. Vor dem rechts gelegenen Nebengebäude, in dem die Kupferhämmer ihr Werk verrichteten, machten einige Arbeiter Pause; sie rasteten am Ufer des Mühlenkanals, der eigens für den Messinghof errichtet worden war. Ihre neugierigen Blicke verfolgten die vorbeifahrende Kutsche. Nur selten verirrten sich Fremde nach
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