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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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von der Stelle am Fuße des Oktogons, wo wir am Morgen mit dem Souvenirverkäufer gesprochen hatten.
    »Was glaubst du eigentlich, in der Statue zu finden?«
    »Keine Ahnung!«, antwortete ich, während der Wind an meinen Haaren und der Kapuze meiner Regenjacke riss. »Vielleicht eine Bauanleitung oder so etwas. Oder das Modell eines Perpetuum mobile.«
    Wir erreichten den Souvenirstand. Er war zu einer großen Holzkiste zusammengeklappt und mit einem massiven Bügelschloss an einem Geländer befestigt worden.
    Plötzlich war irgendwo in unserer Nähe ein lautes Geräusch zu hören. Erschrocken drehten wir uns herum. Nichts war zu sehen. Als das gleichmäßige Klappern wieder erklang, blickten wir beide gleichzeitig nach oben. Es kam von einer der Fahnen mit dem Wappen der Stadt Kassel, an denen der Wind zerrte: Die Flagge bewegte sich so stark, dass ihr Seil mit dem eisernen Befestigungshaken gegen den Fahnenmast schlug.
    »Leider müssen wir da rauf!«, sagte ich und zeigte zur Statue, die weit über uns thronte. Mich fröstelte.
    Um uns herum lagen überall Utensilien der Baustelle. Es gab Stapel mit unterschiedlich langen und dicken Gerüststangen, und etwas weiter von uns entfernt standen zwei Baucontainer. Direkt neben uns lag ein Berg mit großen rostbraunen Eisenschellen, die dazu dienten, die Gerüststangen miteinander zu befestigen. Wir stiegen die Außentreppe des Oktogons hinauf und erreichten das erste Obergeschoss. Da ich in der Pension das kleine Pappmodell zusammengebaut hatte, fand ich mich gut zurecht. Der erste Stock bestand aus einem Rundgang, der einmal um den Innenhof herumführte. Im Dunklen wirkte das Gemäuer noch um einiges unheimlicher als am Tage. Ich schaute hinab in den Innenhof. Unter mir war alles schwarz. Von irgendwo aus der Tiefe hörte ich das Tropfen von Wasser.
    »Komm, wir müssen weiter hinauf!«, rief Julia.
    Kaum waren wir aus dem Schutz des innen verlaufenden Ganges herausgetreten, um an der Außentreppe ins nächste Geschoss zu gelangen, schlug uns ein heftiger Wind entgegen. Instinktiv hielt ich Julia fest, deren Jacke von den stürmischen Böen kräftig aufgebläht wurde: Ich befürchtete, sie könnte das Gleichgewicht verlieren. In das letzte Geschoss des Bauwerks mussten wir uns regelrecht hochkämpfen. Die Wände des im Achteck verlaufenden Korridors schützten uns zwar vor dem Sturm, doch wenn wir die offenen Fensterbögen passierten, erfasste uns ein starker Sog.
    Über einen weiteren Absatz gelangten wir endlich zu dem Gerüstturm, der um die Herkules-Figur herum in den dunklen Nachthimmel ragte. Wir tauchten unter einer Stange hindurch, deren Funktion offenbar darin bestand, Unbefugte davon abzuhalten, das Gerüst hochzuklettern.
    »Ich hoffe, du hast keine Höhenangst?«, fragte ich.
    Julia blickte nach oben. »Ich habe Angst«, antwortete sie. »Aber mit der Höhe hat das nichts zu tun!«
    »Also, auf geht’s!«, rief ich und erklomm die Leiter vor mir. Sie endete nach nur einem kappen Meter auf einer ersten Plattform aus Holz. Während Julia mir folgte, schaute ich hoch. Von meinem momentanen Standort aus führte erneut eine kurze Leiter auf die nächste Plattform, und so ging es weiter. Insgesamt schätzte ich die Anzahl der Plattformen über uns auf mindestens zehn.
    Der Sturm ließ nicht nach. Er rüttelte an dem viereckigen Gerüst, das den Herkules umgab und in dem wir vorsichtig hochkletterten. Die Stangen quietschten, und ich spürte bei jedem Schritt, wie die ganze Konstruktion wankte.
    Nach einer Weile sagte Julia, die unter mir kletterte, etwas mit lauter Stimme, dennoch konnte ich sie wegen des Sturmes nicht verstehen.
    »Was?«, brüllte ich zurück.
    »Hatte der Souvenirverkäufer nicht gesagt, dass dieser Turm bei Wind gesperrt ist?«, rief sie.
    »Stimmt!«, antwortete ich und zog mich auf die nächste Plattform. Dort wartete ich auf Julia, die einige Augenblicke später neben mir stand.
    Ich schaute hinab. Unter uns lag die Aussichtsplattform des Oktogons. Vor uns waren im Dunklen die Kaskaden zu erahnen, daneben sah man die Kronen vieler sich im Wind wiegender Bäume. Noch weiter unten blickte man auf die fernen Lichter der Stadt. Ein wenig fühlte ich mich an den Ausblick bei der Landung eines Flugzeugs erinnert.
    »Da!«, brüllte Julia plötzlich. »Da ist doch jemand!«
    Sie zeigte auf das Oktogon unter uns. Angestrengt starrte ich in die Richtung ihres ausgestreckten Zeigefingers, erkannte jedoch nichts außer den Umrissen des dunklen

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