Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
aus, die nicht in diesen ärmlichen Stadtteil passte.
Anne Rosine hatte über Madame Monsquiere viele Geschichten gehört. Man erzählte sich, dass sie in Frankreich als Tochter eines wohlhabenden Kaufmannes geboren und bereits als junges Mädchen mit einem reichen Marquis verheiratet worden war: Sogar am Hofe von Ludwig XIV. habe sie verkehrt. Jedoch, so hatte man der Magd berichtet, soll ihr Ehemann sie betrogen haben. Ihr selbst sagte man verschiedene Affären mit ausländischen Edelmännern nach. Als ihr Mann, dessen Mutter und drei seiner Brüder unter mysteriösen Umständen starben, wurde sie in die Bastille gesperrt, weil man sie des Mordes verdächtigte. Von dort sei ihr unter ungeklärten Umständen die Flucht gelungen. Die Beziehung zu einem hugenottischen Tuchhändler brachte sie schließlich nach Cassel. Man erzählte sich, dass der Tuchhändler eines Tages unter schrecklichen Krämpfen starb. Seitdem lebte die Madame allein in der Altstadt und handelte mit Kosmetika. Einer anderen Geschichte zufolge, welche die Mägde sich beim Waschen am Fluss erzählten, soll die Madame in Frankreich des Mordes an dreizehn Männern angeklagt gewesen sein. Mithilfe höherer Mächte sei es ihr jedoch gelungen, die Richter zu verhexen: Sie wurde nicht nur freigesprochen, sondern bekam für die Haft auch noch eine hohe Entschädigungszahlung zugesprochen.
Anne Rosine hatte ob dieser Geschichten große Angst gehabt, der Madame zu begegnen. Doch mit den ersten Worten war die Furcht augenblicklich verflogen. Sie schaute sich in dem Zimmer um. An einer Seite stand ein großes Regal, in dem fein säuberlich große und kleine Flaschen und Tiegel aufgereiht waren. In einigen erkannte die Magd Flüssigkeiten, andere schienen Kräuter, Pulver oder Pasten zu beinhalten.
»Ihr benötigt also ein Kosmetikum«, sagte die Madame mit vertrauensvoller Stimme. »Darf ich fragen, welche Wirkung Ihr Euch von ihm erhofft?«
Die Magd zögerte. »Habe ich denn die Wahl?«, fragte sie verunsichert.
Die Madame lächelte. »Aber ja. Ich versuche, Euch ein ganz persönliches Wässerchen herzustellen. Einige zeigen sofort Wirkung, andere brauchen hingegen Monate oder gar Jahre, bis sie das gewünschte Ergebnis erzielen. Manche sind nicht ohne Leiden zu ertragen, andere hingegen bereiten keinerlei Schmerzen. Allen ist jedoch gemein, dass sie trotz ihrer Wirkung unsichtbar sind. Niemand wird je erfahren, dass ein Kosmetikum die Ursache war.«
Die Magd nickte. »Ich denke, ich hätte gern ein Wässerchen, welches über Monate oder Jahre wirkt. Es sollte nicht zu viele Leiden mit sich bringen, ein wenig Schmerz kann aber durchaus vertragen werden.«
Die Madame lächelte. »Ich verstehe. Für Eure Zwecke empfehle ich das Aqua Tofana! «
Sie schritt zu dem Regal, entnahm ihm einige Fläschchen und stellte sie auf den Tisch. Dann holte sie aus einem Schrank einen leeren grünen Flakon und ein Behältnis mit weißem Pulver. Sie öffnete eine Flasche nach der anderen und goss jeweils einige Tropfen in den Flakon. Anschließend häufte sie etwas vom weißen Pulver auf einen Löffel und schüttete dies ebenfalls hinein. Anne Rosine sah zu, wie die Madame danach aus einem Kästchen einen kleinen Korken holte und diesen in ihren Mund steckte. Sie kaute darauf herum und versuchte vergeblich, den Korken in den Hals des Flakons zu pressen. Diese Prozedur wiederholte sie einige Male, bis der Korken schließlich mühelos hineinglitt. Dann schüttelte sie den Flakon und überreichte ihn der Magd.
»Geht sparsam damit um«, mahnte Madame Monsquiere. »Drei Tropfen am Tag könnten schon zu viel sein und zu einem zügigeren Erfolg führen, als Euch lieb ist.«
Anne Rosine hielt den Flakon hoch und schaute hinein. Die Flüssigkeit sah grünlich aus, was aber an der Farbe des Glases lag.
»Es schmeckt nach nichts, es riecht nach nichts, und es ist farblos«, erläuterte die Madame. »Passt aber auf, dass Ihr nichts verschüttet. Wenn Ihr selbst etwas abbekommt, solltet Ihr es gleich abwaschen.«
Anne Rosine bemerkte, wie ihre Wangen zu glühen begannen. »Wie viel bekommt Ihr dafür?«
»Drei Taler!«, entgegnete die Madame.
Anne Rosine griff in einen Beutel, den sie in ihrem Korb trug, und holte einige Münzen heraus. Die Madame nahm sie entgegen, ohne sie zu zählen, und begleitete die Magd zur Tür.
»Wollt Ihr es einem Mann oder einer Frau schenken?«, fragte sie, während sie die Tür öffnete.
»Es ist für eine Frau gedacht«, antwortete
Weitere Kostenlose Bücher