Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
entgegnete sein Vater barsch.
»Ich fürchte, unsere Wege trennen sich hier«, erklärte ich. »Ich werde mich nun darum kümmern, Julia zu helfen.«
Steve schaute seinen Vater fragend an. Der alte Scheffler blieb stehen und drehte sich zu mir um. »Sie kommen auch mit uns«, sagte er entschieden und gab seinen Söhnen mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie mich in ihre Mitte nehmen sollten.
Ich blickte um mich und suchte nach einem mir bekannten Gesicht. Aufgrund des Regens war die Straße vor der Patentkanzlei nicht sonderlich belebt; nur wenige Passanten mit Regenschirmen eilten vorbei. Plötzlich entdeckte ich ihn. Der Mann stand keine zehn Meter von uns entfernt: dasselbe Gesicht, das mir vom Rand der Öffnung in der Herkules-Statue entgegengeblickt hatte. Auch jetzt waren die Haare nass vom Regen. Im selben Moment, als ich ihn entdeckte, erkannte er mich ebenfalls und machte sogleich einen Schritt auf uns zu.
Ich hob abwehrend die Hände, um zu verhindern, dass David und Steve meine Arme greifen konnten. Im nächsten Augenblick gab ich beiden einen kurzen, aber heftigen Stoß gegen die Brust und rannte los. Keine acht Schritte später hatte ich den Mann erreicht. Im ersten Moment vermutete er offenbar, dass ich ihn angreifen wollte, denn er wich zur Seite und packte mich am Revers meiner Jacke.
»Helfen Sie mir!«, schrie ich ihn an.
Einen winzigen Moment schaute er verdutzt, dann glitt sein Blick zu David und Steve, die auf uns zustürmten. Der Mann schob mich blitzschnell hinter sich. Keine Sekunde später traf seine Faust auf Steves Kiefer. Den jungen Scheffler ereilte der Schlag ohne jede Vorwarnung. Seine Beine versagten sofort, und er fiel mit dem Gesicht voran auf die Bordsteinkante. Vom Kopf des Ohnmächtigen floss Blut auf den Bürgersteig und vermischte sich mit dem Regenwasser zu einer hellroten Flüssigkeit. Im nächsten Moment traf ein weiterer Schlag den erstaunt zu seinem Bruder schauenden David. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er sich unter dem Treffer auf seinen Solarplexus krümmte und ebenfalls zu Boden stürzte.
Mein Blick fiel auf das erschrockene Gesicht des alten Scheffler, der wie erstarrt zu uns hinüberschaute. Doch bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, mich um seine verletzten Söhne zu kümmern, schlang mir jemand von hinten den Arm um den Hals. Ich spürte einen unangenehmen Druck im Hinterkopf. Dem Gefühl, mich an etwas verschluckt zu haben, folgte ein Würgereiz. Plötzlich merkte ich, wie um mich herum alles verschwamm.
Noch während ich darüber nachdachte, ob sich alles im Regen auflöste, verlor ich das Bewusstsein.
116
Carlshaven, 1723
Orffyreus liebkoste ihre Brüste. Dann zog er den Kopf zurück. »Nein, nicht jetzt! Wir sind nicht allein!«, sagte er.
Anne Rosine griff ihm mit beiden Händen in die Haare und drückte sein Gesicht wieder an ihren Busen. Sie stöhnte auf. »Die Kinder kommen nicht vor heute Abend heim. Und Barbara ist unten. Sie kann ohne Hilfe nicht die Treppe hinaufsteigen!«
»Aber sie könnte uns hören!«, entgegnete Orffyreus und küsste ihr Dekolleté.
»Soll sie doch!«, entgegnete sie. »Sie ist ohnehin zu schwach, um sich selbst noch solchen Genüssen hinzugeben.«
Anne Rosine versuchte, die Schnüre ihres Mieders zu öffnen. Orffyreus schob ihre Hände zur Seite und versuchte seinerseits die Bänder zu lösen. Dabei küsste er ihre Lippen. Sie ließ sich nach hinten fallen, und Orffyreus stürzte mit ihr zusammen auf das Ehebett.
»Ihr seid ganz erhitzt.« Anne Rosine kicherte und knöpfte sein Hemd auf.
»Du musst mir versprechen, leise zu sein.«
»Soll sie ruhig hören, wie glücklich ich Euch mache!«
Orffyreus hielt inne und ließ von ihr ab. »Hast du denn kein bisschen Mitleid mit ihr?«
Anne Rosine blickte Orffyreus mit großen Augen an und lächelte. »Sie bildet es sich doch nur ein«, antwortete sie. »Bemerkt Ihr nicht, dass sie nur Eure Aufmerksamkeit erhaschen möchte? Einmal sah ich, wie sie gut gelaunt die Treppe hinaufstieg, und im nächsten Moment meinte sie, dass sie zu schwach sei, um aufzustehen. So geht es seit ein paar Jahren. Es würde mich nicht wundern, wenn sie hier gleich hineingestürmt käme.«
Orffyreus drehte sich zur Seite und setzte sich auf die Bettkante. »Was redest du da? Ihr fallen die Haare aus, und sie spuckt manchmal sogar Blut. Die Ärzte bestätigten, dass sie schwer krank ist.« Er schaute unglücklich. »Aber keiner konnte ihr helfen.«
Sie richtete sich ebenfalls
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