Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
stand nun neben ihr und sah sie streng an. Sein Gesicht war schmal. Anne Rosine erhob sich und wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie misstrauisch und richtete sich auf.
»Ein Freund«, entgegnete er. »Ihr seid es also tatsächlich?«
Anne Rosine zögerte. »Und wenn ich es wäre?«
»Dann hätte ich ein Angebot für Euch«, antwortete der Fremde.
Die Magd verschränkte die Arme. »Was für ein Angebot soll das sein?«
»Es geht um Euren Herrn. Ihr wisst von der Wette, die er vor einigen Jahren in Cassel gewann?«
Anne Rosine kniff die Augen zusammen. Der Fremde war ihr unheimlich. Sie vergewisserte sich, wie weit die Treppe entfernt war. »Und wenn ich von der Wette wüsste?«
»Ich würde mir wünschen, dass Ihr mir einen Gefallen tätet.«
Die Magd trat einen Schritt zurück und schaute sich erneut nach der Treppe um. »Was redet Ihr da?«
»Ich würde Euch für diesen Gefallen gut bezahlen.« Der Mann hielt einen Beutel in die Höhe. »Fünfhundert Taler.«
Die Magd zuckte zusammen. Dann begann sie, lauthals zu lachen. »Ihr macht Scherze. Ihr wollt mich reinlegen!«
Ihr Gegenüber blieb ernst und schüttelte den Kopf. »Ich meine es, wie ich es gesagt habe.«
Anne Rosine gefror das Lachen. »Fünfhundert Taler? Was für ein Gefallen sollte so viel wert sein? Es kann nur etwas Schreckliches sein, dass Ihr von mir verlangt.«
»Damit Ihr seht, dass ich es ernst meine, gebe ich Euch bereits jetzt fünfzig Taler als Anzahlung.«
Der Mann öffnete den Beutel und zählte einige Münzen ab. Er hielt sie der Magd entgegen, die jedoch keine Anstalten machte, das Geld zu nehmen. Der Fremde blickte sich um und legte die Münzen auf den Wäscheberg neben ihr. Die Magd rührte sich noch immer nicht und schaute unsicher auf das Geld vor ihr.
»Überlegt es Euch«, sagte der Mann. »Fünfhundert Taler – nur für Euch. Mehr als Ihr sonst Euer Leben lang zu Gesicht bekommen werdet!«
»Ich brauche nicht zu überlegen«, antwortete sie ärgerlich. »Ich will Euer schmutziges Geld nicht. Orffyreus’ Ehefrau Barbara wird schon bald sterben. Und dann werde ich seine neue Frau. Ihr solltet wissen, dass Orffyreus sehr viel mehr Geld besitzt als diesen lächerlichen Betrag, den Ihr mir bietet! Ich werde kaum meinen zukünftigen Ehemann verraten!« Anne Rosine bückte sich, hob die Münzen auf und warf sie dem Mann entgegen. Dieser bemühte sich nicht, das Geld zu fangen. Eines der Geldstücke rollte über den Steg und fiel in das Wasser des Flusses.
»Überlegt es Euch«, wiederholte der Mann. »Solltet Ihr Euch anders entscheiden, findet Ihr mich diese Woche im Gasthaus Goldener Helm in Cassel. Fragt nach Gravesande. Dann teile ich Euch die Einzelheiten meines Angebots mit!«
Der Mann schritt an der Magd vorbei und stieg die Treppe zum Ufer hinauf, ohne auch nur ein einziges Mal nach ihr zurückzuschauen.
»Niemals!«, rief Anne Rosine ihm nach.
Als er verschwunden war, wandte sie sich der Wäsche zu. Sie blickte sich um. Niemand schien das Gespräch beobachtet zu haben. Neben ihr auf dem Steg lagen die Münzen. Sie bückte sich und hob eine auf. Sie schien aus Silber zu sein. Die Magd blickte sich erneut um, dann sammelte sie die restlichen Münzen zusammen und steckte sie in ihre Schürze.
121
Ich hatte auf dem Rücksitz Platz genommen. Neben mir saß der Mann, den sie Dimitrij genannt hatten. Er starrte aus dem Seitenfenster. Nachdem er mich fast zu Tode gewürgt hatte, fühlte ich mich in seiner Nähe unwohl. Sergeij, der den Wagen fuhr, blickte mich im Rückspiegel an.
»Sie erwähnen Antonow und Ihren Deal mit ihm mit keinem Wort!«, warnte er mich eindringlich. »Wir haben Sie vor der Patentanwaltskanzlei aufgelesen und direkt dorthin gefahren, wo wir Sie jetzt hinbringen. Dann sind Sie eben zwei Stunden länger beim Anwalt gewesen!«
Ich nickte.
Diese Geste der Zustimmung reichte Sergeij offenbar nicht. »Haben Sie verstanden? Unser aller Leben hängt daran!«
Dimitrij drehte sich zu mir um und stieß mir auffordernd in die Seite. Außerdem zischte er etwas auf Russisch.
»Lass ihn, Dimitrij!«, befahl Sergeij und fixierte mich wieder im Rückspiegel.
»Ich habe Sie verstanden!«, sagte ich widerwillig und fragte: »Und Sie helfen mir gleich dabei, Julia zu befreien?«
Sergeij antwortete nicht.
»Geht es ihr gut?«, hakte ich nach.
Sergeij löste den Blick vom Rückspiegel und konzentrierte sich, während er nach rechts abbog, auf den Verkehr.
Ich
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