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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Auge zu haben. Wenn wir es nicht tun, wer dann?« Newton schien für diese letzten Worte alle Kraft zusammengenommen zu haben und verstummte nun abrupt.
    Gravesande wartete ab.
    Als er auch nach einiger Zeit nur den leisen Atem von Newton vernahm, wandte er sich dem Papier vor ihm zu und begann mit großer Eile zu schreiben.

119
    »Dann ist es also wahr?«, fragte er mit wachsender Erregung in der Stimme. Er sprach sehr gut Deutsch; sein russischer Akzent war kaum herauszuhören.
    Ich nickte.
    »Meine Ingenieure behaupten, dass ein Perpetuum mobile technisch nicht möglich sei. Eine solche Konstruktion verstößt gegen Naturgesetze.« Antonow blickte mich fragend, fast drohend an.
    »Ihre Leute meinen vermutlich den ersten Hauptsatz der Thermodynamik«, entgegnete ich und lehnte mich vorsichtig zurück.
    »Ich bin kein Physiker«, erklärte Antonow. »Aber soweit ich verstanden habe, bleibt nach den Naturgesetzen die Energie in einem geschlossenen System immer gleich.«
    »Ich bin Physiker, und Sie haben recht. Das heißt, es wird immer genauso viel Energie abgegeben, wie zugeführt wird.« Zwar hatte ich keine Lust auf eine wissenschaftliche Diskussion, doch mir wurde klar, dass ich keine andere Wahl hatte, wenn ich ihn von der Existenz eines Perpetuum mobile überzeugen wollte. Und daher führte ich aus: »Das Einzige, was passiert, wenn ein Motor läuft oder Holz verbrennt, ist, dass eine Energieform in eine andere umgewandelt wird: die Wärmeenergie des Motors in Bewegungsenergie oder die chemische Energie des Holzes in Wärmeenergie –«
    »Da sagen Sie es ja selbst!«, unterbrach mich Antonow triumphierend. »Es kann also keine neue Energie aus dem Nichts geschaffen werden. Wenn also Ihr Perpetuum mobile auf ewig in Bewegung bleibt und dabei sogar noch zusätzliche Arbeit leisten soll, indem es zum Beispiel eine Last hebt, müsste die Energie aus dem Nichts kommen. Und das ist nicht möglich. Denn aus dem Nichts entsteht nur eines – nichts!«
    Antonow blickte mich herausfordernd an. Nach seinen Worten konnte man den Eindruck gewinnen, dass er ein Perpetuum mobile für absolut unmöglich hielt. Aber er war extra wegen des Perpetuum mobiles hierhergekommen, und dies bedeutete, dass er sich in dieser Frage keineswegs sicher war.
    Ich richtete mich wieder auf und deutete auf die Reliefs an den Marmorwänden um uns herum. »Schauen Sie auf die abgebildeten Metamorphosen von Ovid, von denen Sie mir eben gerade noch erzählten.«
    Antonow legte die Stirn in Falten und folgte mit seinem Blick meinem Zeigefinger.
    »Ovid lehrt uns, dass aus allem etwas anderes entstehen kann«, sagte ich. »Es geht bei dem Perpetuum mobile nicht darum, dass aus dem Nichts etwas entsteht. Sondern es entsteht aus etwas ›Anderem‹. Wir kennen nur dieses ›Andere‹ noch nicht, aber es ist da. Und das werden in Zukunft auch Ihre Ingenieure begreifen müssen.«
    Antonow verzog das Gesicht, woraus ich schloss, dass er mir nicht folgen konnte.
    »Zunächst einmal …«, fuhr ich fort, »was Sie soeben als Naturgesetz bezeichnet haben, ist in Wahrheit keines. Es handelt sich nämlich bloß um eine Beobachtung. Es ist nicht mehr als ein Erfahrungssatz. Erfahrungen gelten jedoch immer nur so lange, bis sie widerlegt werden.« Dies hatte ich schon mit dem Patentanwalt durchexerziert. Ich fasste mir an den Hals und schaute zu Sergeij, der uns teilnahmslos aus einiger Entfernung beobachtete. Was war mit Julia?, dachte ich.
    Antonow schaute mich ratlos an. »Und das heißt?«
    »Das heißt, dass durch Orffyreus’ Erfindung dieser Hauptsatz der Thermodynamik widerlegt wird. Und das heißt, dass die Wissenschaftler, wenn sie sich erst einmal wieder beruhigt haben, sich Gedanken über einen neuen Erfahrungssatz machen müssen. Oder sie müssen herausbekommen, warum der von ihnen bislang aufgestellte Hauptsatz doch gilt.«
    Während meiner Ausführung war Antonow zu einer der weißen Marmorstatuen gegangen und hatte sich dagegengelehnt. Für einen kurzen Moment befürchtete ich, dass sie umfallen könnte, doch sie bewegte sich keinen Millimeter.
    »Ich dachte, Sie wollten behaupten, der Hauptsatz ist durch das Perpetuum mobile widerlegt?«, erwiderte er. »Warum soll er dann doch weiterhin gelten? Das verstehe ich nicht!«
    Plötzlich hatte ich einen Einfall. Jetzt wusste ich, wie ich meinen Diskussionspartner überzeugen konnte. »Sagt Ihnen der Name Niels Bohr etwas?«
    Antonow zog die Augenbrauen zusammen und verneinte.
    »Er war dänischer

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