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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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Physiker und obendrein Nobelpreisträger«, sagte ich. »Anfang des letzten Jahrhunderts beobachtete er bei einem seiner Experimente, dass sich beim radioaktiven Beta-Zerfall ein Neutron des Atomkerns in ein Proton verwandelt und dabei ein Elektron aussendet. Entgegen dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik besaßen aber erstaunlicherweise alle ausgesandten Elektronen trotz gleicher Ausgangsbedingungen immer eine unterschiedliche Menge an Energie. Es ging also scheinbar während dieses Prozesses irgendwohin Energie verloren, nur wusste niemand, wohin.«
    Antonow blickte mich eindringlich an und nickte, um mir zu signalisieren, dass er mir folgen konnte.
    »Diese Beobachtung von Bohr widersprach also dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik, wonach in einem abgeschlossenen System die Energie immer gleich groß ist, egal was passiert. Bei gleichen Ausgangsbedingungen hätten alle Elektronen dieselbe Menge an Energie mit sich führen müssen.«
    »Genau das Umgekehrte wie bei Ihrem Perpetuum mobile?«, fragte Antonow.
    »Fast. Jedenfalls setzte sich die Auffassung durch, dass der bis dato als unumstößlich geltende Hauptsatz der Thermodynamik, der Energieerhaltungssatz, scheinbar nicht innerhalb der Atome zu gelten schien. Das Gesetz bekam erste Risse.«
    Antonow verzog verblüfft seine Mundwinkel. Meine Worte hallten in dem Marmorbad auf unwirkliche Weise nach.
    »Sie kennen Radium?«, erkundigte ich mich.
    »Ein Gas«, antwortete Antonow.
    Ich nickte. »Es ist ein radioaktives Gas. Radium erhitzt ständig die Umgebung und leuchtet sogar im Dunkeln. Als man das entdeckte, schien auch hier der Energieerhaltungssatz nicht zu gelten. Denn woher hatte das Radium diese Energie, die es abgab, ohne dass man welche zugab?«
    Antonow zuckte mit den Schultern.
    »Sie sehen, es gab in der Geschichte der Wissenschaft immer wieder Situationen, in denen man Beobachtungen machte, die den Naturgesetzen zu widersprechen schienen. Wie bei dem Perpetuum mobile, das ich zum Patent angemeldet habe.« Ich deutete auf das Blatt Papier, das Antonow immer noch in seiner Hand hielt. Dann stimmte ich einen versöhnlicheren Ton an. »Ihre Ingenieure haben aber in einem recht: Der erste Hauptsatz der Thermodynamik gilt bis heute noch.«
    »Ich dachte, Sie haben mir gerade erzählt, dass der Hauptsatz wegen Bohrs Erkenntnissen und dem leuchtenden Radium nicht gilt«, entgegnete Antonow, nun deutlich ungehaltener.
    Ich spürte, dass ich ihn am Haken hatte. Und so fuhr ich unbeirrt fort: »Erst zwei Jahrzehnte nach den Experimenten von Bohr entdeckte man, dass beim Beta-Zerfall nicht nur Elektronen ausgesendet werden, sondern noch ein weiteres, bis dahin geheimes Teilchen. Das nannte man Neutrino. Dieses Teilchen war es, das die fehlende Energie mit sich genommen hatte. Niels Bohr konnte das Neutrino damals nur noch nicht messen. Der Energieerhaltungssatz stimmte also wieder. Und beim Radium war schlicht die Kernenergie schuld. Die Energie des Radiums entstand aus dem internen Zerfall seiner Atomkerne.«
    »Das heißt aber, dass ich recht habe: Ihr Perpetuum mobile verstößt gegen den Hauptsatz der Thermodynamik!«, blaffte Antonow mich an. Er war kurz davor, die Geduld mit mir zu verlieren.
    »Das stimmt«, bestätigte ich nüchtern. »Genau wie seinerzeit das Experiment von Niels Bohr oder das Radium gegen den Hauptsatz verstießen. Dennoch hätte damals keiner behauptet, es gibt keinen Beta-Zerfall oder kein Radium. Das Gleiche gilt nun für das Perpetuum mobile. Entweder ist der Hauptsatz doch nicht so ganz richtig – und Orffyreus hat mit seinem Perpetuum mobile die eine Ausnahme zu den bisherigen Erfahrungen gefunden –, oder der Hauptsatz stimmt doch, und es gibt irgendeine andere Erklärung, die wir heute noch nicht wissen.«
    »Und welche könnte das sein?«
    »Es gibt verschiedene Theorien«, antwortete ich. »Viele gehen davon aus, dass es Energieformen gibt, die wir noch nicht kennen. So wie ja auch die Kernenergie bis zum Ende des neunzehnten Jahrhunderts den Menschen unbekannt war. Einige nennen diese Energieform ›freie Energie‹ oder ›kosmische Energie‹. Am Ende läuft es aber vermutlich auf eines heraus …« Ich deutete auf die Reliefs an den Wänden. »Metamorphose. Irgendetwas ist hier auf diesem Planeten vorhanden, das von Orffyreus’ Rad aufgrund seiner speziellen Konstruktion in Energie umgewandelt werden kann!«
    Antonow überlegte kurz. Dann kam er langsamen Schrittes zu mir herüber. Er hielt den Zettel in die Höhe.

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