Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
zügeln, als zu seiner Erleichterung endlich der Zeremonienmeister erschien, der das Kommen des Herzogs und der Schar seiner Cour-Gäste ankündigte.
Offenbar hatte man sich bis dahin vor allem der Begutachtung des herzoglichen Weinkellers hingegeben. Die Stimmung war ausgelassen bis albern; und insbesondere eine kleine Gruppe von Reisenden aus Venezien, leicht zu erkennen an ihren Kaufmannsgewändern, hatte sichtlich Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Und noch bevor die Aufführung beginnen konnte, entbrannte ein Streit zwischen einem der Gäste und Orffyreus.
Ein junger Franzose, der den Teint eines Pfirsichs besaß und kaum älter als zwanzig war, entfernte sich von der Gruppe und versuchte, die Maschine noch vor Beginn der Vorführung näher in Augenschein zu nehmen. Gerade als er im Begriff war, das Wachstuch anzuheben, um in das Innere zu blicken, kam Orffyreus hinzu und stieß ihn unsanft beiseite. Nachdem der Franzose seine erste Überraschung überwunden hatte, wollte er sich revanchieren und holte zu einem Schlag mit der flachen Hand aus. Im letzten Moment ging Gustav dazwischen, drängte den allzu Neugierigen zurück und drückte ihn unsanft auf einen der Plätze in der ersten Reihe nieder. Für einen kurzen Augenblick schien der Franzose sich erheben und zum Gegenangriff übergehen zu wollen, dann erkannte er jedoch, dass es klüger war, sitzen zu bleiben. Der Herzog hatte von dieser Auseinandersetzung zum Glück nichts mitbekommen, da er in ein angeregtes Gespräch mit Leibniz vertieft gewesen war.
Schließlich hatten sich die meisten hingesetzt, und Orffyreus konnte mit seiner Vorführung beginnen. War er sonst von seinem Publikum gewohnt, dass es ehrfürchtig seinen Worten folgte und gebannt auf seine Apparatur starrte, so verhielt es sich diesmal völlig anders. Die Schaulustigen sprachen einfach weiter miteinander und schienen sich für Orffyreus und seine Maschine nicht sonderlich zu interessieren. Sie schenkten ihre Aufmerksamkeit vor allem dem Herzog, der auf einem herbeigeschafften Holzthron in ihrer Mitte saß; und einige wandten Orffyreus sogar den Rücken zu. Orffyreus’ wiederholte Bitte um Ruhe blieb ungehört. Der junge Franzose hatte sich von seiner Demütigung erholt und ging nun dazu über, sich von seinem Platz aus über Orffyreus und seine Apparatur lustig zu machen. Immer wieder unterbrach er den Vortrag des Erfinders mit abfälligen oder anzüglichen Bemerkungen, die von denjenigen, die sie hörten, mit Gelächter quittiert wurden. Orffyreus blieb nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Schon bald überkamen den Herzog Gähnanfälle, und er applaudierte viel zu früh, um sich dann zu erheben. Überschwänglich dankte er Orffyreus für dessen Kommen und kündigte an, dass man auf der Wiese am Schlossteich nun auf Tontauben schießen würde. Ein begeistertes Rufen ging durch die Reihen, und die kleine Gruppe flanierte auf eine Rundbogentür zu, durch die man vom Innenhof in den Schlossgarten gelangte.
Keine halbe Stunde war vergangen – und Leibniz war abermals als letzter Zuschauer übrig geblieben. Er bemerkte, wie erzürnt der Erfinder war.
»Macht Euch nichts daraus, Inventore , es sind Banausen«, versuchte er Orffyreus zu trösten, der sich auf eine der leeren Bänke gesetzt hatte und erschöpft auf sein Rad starrte. »Der Herzog hat große Sorgen mit dem Kurfürsten, welcher wieder mit Truppen droht. Und die anderen: Sie und wir, wir teilen uns zwar dieselbe Luft und vielleicht auch dieselben Herrscher. Und doch leben wir in unterschiedlichen Welten.«
»Ich dachte, es gibt nur eine Welt«, entgegnete Orffyreus. »Und zwar die beste aller möglichen. Ist das nicht der Titel Eurer Kurzschrift, die Ihr gerade veröffentlicht habt und von welcher man allerorts hört?«
»Mein Kompliment. Habt Ihr die Schrift gelesen?«
»Leider hat meine Zeit es mir bislang nicht erlaubt. Ich hole es aber nach.«
»Ich bin der festen Überzeugung, dass der vollkommene Gott unter allen möglichen Welten die beste erschaffen hat. Sonst wäre er nicht vollkommen.«
Orffyreus wandte sich nun mit ganzer Konzentration seinem Gesprächspartner zu. »Und was ist mit den vielen Übeln in unserer Welt? Mit den Krankheiten, den Kriegen, der Armut, dem Bösen, was das Blut vieler vergiftet? Der Beschränktheit der Geister der vielen. Ist dies nicht gerade der Beweis für die Unvollkommenheit unserer Welt?«
»Eben nicht. Das alles sind notwendige Übel. Es kann ohne
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