Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Söhne kann die Technik für immer und ewig weiter benutzen. Vollkommen unbehelligt. Und unser Mandant kann nichts dagegen tun. Denn wir leben in einem vereinten Europa. Und dort zählt ein italienisches Gericht genauso viel wie ein deutsches.«
Prof. Dr. Schrot begann zu husten.
Dr. Grünewald warf mir einen bösen Blick zu. »Wissen Sie, wie man einen solchen faulen Trick unter Patentanwälten nennt?«
»Italienischer Torpedo«, schoss es aus mir heraus.
»Und wissen Sie, wessen Namen und Unterschrift diese Klage trägt?«, fragte er mich mit nun kaum unterdrückter Wut.
»Meinen«, antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Warum?«, schrie Prof. Dr. Schrot mich unvermittelt von der Seite an. »Warum zum Teufel haben Sie das getan?«
Ich zuckte kurz erschrocken zusammen und schaute ihn direkt an. Er stand nun weit vorgelehnt rechts neben mir und deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand auf mich.
»Weil unser Mandant ein Arschloch ist«, erwiderte ich. »Ein kriminelles, menschenverachtendes Arschloch. Und weil dies die einzige Möglichkeit war, ihn zu stoppen.«
Es war der letzte zusammenhängende Satz, zu dem ich an diesem Tag in diesem Raum Gelegenheit haben sollte.
Die Anwesenden überboten sich darin, mich zusammenzustauchen, was ich geduldig über mich ergehen ließ. Schließlich unterschrieb ich eine vorgefertigte Aufhebungsvereinbarung, wonach das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung endete. Darin verzichtete ich auf jegliche ausstehenden Gehaltsansprüche und eine Abfindung. Die Kanzlei kündigte an, mich bei der Patentanwaltskammer in München sowie der zuständigen Staatsanwaltschaft wegen Mandantenverrats anzuzeigen.
Keine zehn Minuten später stand ich auf der Straße und blickte auf das Gebäude vor mir, in der sich die Kanzlei befand. Die Gelegenheit, meine persönlichen Sachen mitzunehmen, hatte man mir nicht gegeben. Und ich hatte auch nicht darauf bestanden, denn ich besaß in der Kanzlei keine persönlichen Sachen.
Jeder Staatsanwalt freut sich diebisch, wenn er einen Anwalt auf der Anklagebank sitzen hat, auch wenn er diesen Zustand der Freude niemals zugeben würde. Da spielt es auch keine Rolle, wenn es sich bei dem Inkriminierten nur um einen Patentanwalt handelt. Für einen Anwalt ist der Unterschied zum Angeklagten nur ein Sitzplatz weiter rechts oder links: Aber dieser halbe Meter Unterschied hat eine gewaltige Bedeutung. Bei der Verhandlung selbst ist der Angeklagte in einer ähnlichen Situation wie ein eben noch wertvolles Geldstück, das in die Ritze eines Gullydeckels gefallen ist – während der Strafverteidiger sich bemüht, es auf irgendeine Weise wieder an die Oberfläche zu befördern, versucht die Staatsanwaltschaft, es im darunterliegenden Kanal zu versenken.
Mich rettete der Richter. Er hob den Kanaldeckel vor den Augen des mit meinem Verteidiger streitenden Staatsanwalts an und gab mich kurzerhand im Fundbüro ab. Dort sollte mein weiteres Schicksal entschieden werden. Ich erhielt vierzehn Monate Gefängnis auf Bewährung. Zudem sollte ich als Bewährungsauflage Sozialstunden ableisten.
Er könne mein Motiv, der armen Frau helfen zu wollen, durchaus verstehen, erklärte der Richter. Dennoch hätte ich mich ignorant und sogar arrogant gegenüber den Regeln der Gemeinschaft gezeigt, in der dem Anwalt – und auch dem Patentanwalt – nun einmal eine bestimmte Position in der Rechtspflege zukommt, die ich mit den Füßen getreten hätte. Sozialstunden seien eine gute Gelegenheit, mir darüber Gedanken zu machen, wie man das Wohl des Einzelnen mit dem Wohl der Gemeinschaft in Einklang bringen könne.
Ich akzeptierte das Urteil und hörte mir noch ein paar lobende Worte meines Strafverteidigers über seine eigene Verteidigungsstrategie an. Das Gerichtsgebäude verließ ich durch einen Hinterausgang, nachdem ich mir in der Toilette ein wenig kaltes Wasser ins Gesicht gerieben hatte. Das deutsche Rechtswesen hatte mich verdaut und wieder ausgeschieden.
Es war Herbst geworden, und das Grau der Straße um mich herum schien unmittelbar in das Grau des Himmels überzugehen. Ich vergrub meine Hände tief in den Jackentaschen und schlenderte zu den Wallanlagen, einem nahe gelegenen Park im Zentrum von Hamburg.
Ein paar Tage vorher hatte ich einen Brief der Patentanwaltskammer erhalten. Darin war mir mitgeteilt worden, dass man mir meine Zulassung als Patentanwalt entzogen hatte. Neben den förmlichen Erklärungen enthielt das
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