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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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dieses Mindestmaß an Übel kein Gutes geben. Ansonsten hätte der Herr es nicht geschaffen, denn er ist vollkommen; und somit muss auch sein Werk, unsere Welt, das vollkommenste sein, was möglich gewesen ist. Es ist wie beim Sägen oder Hobeln, Inventore . Mit dem Hobel schafft man etwas Perfektes, dennoch fallen dabei Späne. Das lässt sich beim besten Willen nicht vermeiden. Die Späne sind das Übel, welches es geben muss, wenn man etwas Großartiges erschaffen möchte.«
    »Dann stellt die ungläubige Bagage von eben wohl lediglich ein notwendiges Übel dieser Welt dar; und somit haben wir doch nur eine Welt«, folgerte Orffyreus, der so auf den Beginn ihrer Diskussion zurückkam. Erbost schaute er zum Schlossgarten hinüber, aus dem nun ab und zu Gewehrschüsse zu hören waren, denen jeweils ein Jauchzen oder enttäuschtes Stöhnen folgte.
    »Grundsätzlich habt Ihr recht«, erwiderte Leibniz. »Die Frage nach der Anzahl der Welten ist natürlich eine reine Definitionsfrage. Und wenn ich von Welt spreche, meine ich nicht immer dasselbe.« Er kniff ein Auge zu und folgte mit seiner Hand aus einiger Entfernung den Konturen des Perpetuum mobile. »Es kann eine irdische Welt geben und unendlich viele Unterwelten. Legt man die richtige Definition zugrunde, stellt Euer Perpetuum mobile vielleicht sogar eine eigene, gemäß Eurer Behauptung sogar eine unendliche Welt dar!«
    »Ein interessanter Ansatz«, befand Orffyreus, der langsam Vertrauen zu Leibniz fasste, zumal ihm der entgegengebrachte Respekt schmeichelte. Nachdenklich blickte er zur Seite und sah, dass seine Gehilfen begonnen hatten, das Rad wieder abzubauen.
    »Wollt Ihr mir nicht wenigstens einen Hinweis geben, auf welchem Prinzip Euer Perpetuum mobile basiert, Inventore? Ihr wisst, dass Wissenschaft von der Fortpflanzung des Wissens lebt. Das Wissen verhält sich nicht anders als gemeine Nagetiere. Durch ständige Paarung vermehrt es sich. Lasst die Wissenschaft teilhaben an Eurer Entdeckung.« Leibniz schenkte dem Erfinder ein aufmunterndes Lächeln.
    Orffyreus’ Blick verdüsterte sich erneut. »Ich habe für diese Maschine so viel entbehrt und aufgegeben. Ich habe Jahre meines Lebens diesem Perpetuum mobile gewidmet. Mein Vermögen habe ich geopfert, manchmal sogar meine Gesundheit dafür gegeben. Ich kann das Ergebnis dieser Entbehrungen nicht so einfach kundgeben. Auch bin ich überzeugt davon, dass der Herr gerade mich ausgesucht hat, um diese Apparatur zu schaffen. Warum sollte ich dies dann so einfach offenbaren?«
    Der berühmte Gelehrte sann kurz über eine Antwort nach, bevor er zu bedenken gab: »Wissenschaft ist immer Entbehrung, mein Sohn. Wissenschaft bedeutet auch, sein Leben einer Sache zu widmen, ohne dass man dafür unmittelbar etwas empfängt.«
    »Das mag Euer Verständnis der Wissenschaft sein. Wofür tut Ihr dies? Für solche Dummköpfe wie diejenigen, die soeben hier halb betrunken der Aufführung beigewohnt haben … Nein, die sie gestört haben? Haben solche Leute es verdient, dass Männer wie wir uns für sie aufopfern?«
    »Die Menschheit hat es verdient. Und diese Günstlinge, welche sich nebenan an der Brust des Herzogs nähren, repräsentieren bei Weitem nicht die Menschheit.« Leibniz deutete mit der rechten Hand in den Himmel. »Und vor allem unser aller Herr hat es verdient.«
    »Ahnt Ihr, welche Bedeutung meine Maschine haben wird? Sie dient als Antrieb, verrichtet Arbeit. Sie ist in der Lage, Erz und Wasser aus den Tiefen der Stollen zu heben. Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo bislang nur die Kraft des Wassers, des Windes und die animalischen Kräfte zur Verfügung standen. Dabei ist sie jedoch vollkommen unabhängig vom Wind und Wasser und von der Ausdauer eines Pferdes oder Esels. Sie ist die Zukunft!« Orffyreus blickte Leibniz abwartend an.
    »Umso wichtiger ist es, dass Ihr sie mit der Menschheit teilt!«, argumentierte Leibniz.
    »Das werde ich«, antwortete Orffyreus. »Aber erst, wenn ich meinen gerechten Lohn dafür erhalten habe. Soll ich Euch verraten, welche Energie dieses Perpetuum mobile letztlich antreibt?«
    »Ja«, frohlockte Leibniz und neigte seine rechte Gesichtshälfte dem Erfinder zu, weil er mit dem Ohr auf dieser Seite besser hören konnte.
    Orffyreus zeigte auf seine Oberarme und seinen Kopf.
    »Meine Energie. Meine Lebenskraft ist in dieses Gerät hineingeflossen. Und sobald mir diese vergolten wurde, kann die Menschheit mit dem Perpetuum mobile machen, was sie möchte.«

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