Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
Schreiben ein paar persönliche Worte des Geschäftsführers der Kammer, der hervorhob, dass er in den dreißig Jahren seiner Berufstätigkeit einen Fall wie den meinen noch nicht erlebt habe und ich eine Schande für den Berufsstand des Patentanwalts sei, was man nun glücklicherweise behoben habe. Ich wusste, dass er ein Studienkollege meines ehemaligen Seniorpartners Grünewald war, und vermutete, dass Letzterer an dieser doch sehr raschen und endgültigen Entscheidung zu meinen Lasten nicht ganz unbeteiligt gewesen war.
Zwischen meinen Füßen wirbelten bunte Blätter über den frisch geharkten Weg, die gemeinsam mit mir das ordentliche Muster im feinen Kiessand zerstörten. Irgendwo schrie ein Kind nach seiner Mutter.
Ich überlegte, Ingrid in Göttingen anzurufen. Die Gegnerin meines ehemaligen Mandanten und ich duzten uns inzwischen. Wir waren an jenem Tag, als wir uns kennengelernt hatten, abends noch gemeinsam essen gegangen, und ich hatte ihr ein wenig von mir erzählt. Nach unserem Treffen in ihrem Bungalow hatte ich für sie die Klage bei dem italienischen Gericht eingereicht, wodurch sie und ihr Betrieb gerettet wurden. Sie hatte nun auf Jahre Ruhe vor ihrem unversöhnlichen Feind. Seitdem telefonierten wir regelmäßig miteinander, und sie hatte schwere Schuldgefühle, weil durch sie meine junge, hoffnungsvolle Karriere zerstört worden war. »Ansgar hat so viel Leid erzeugt, und es geht noch immer weiter«, sagte sie einmal am Telefon.
Kurz entschlossen wählte ich ihre private Rufnummer. Sie nahm nicht ab. Vermutlich arbeitete sie in ihrer Firma; es war ja mitten am Tag.
Ich atmete tief die Herbstluft ein. Vor mir lag ein kleiner See, auf dem eine Gruppe von Enten schwamm. Mich fröstelte, und ich schlug den Kragen meiner Jacke noch ein wenig höher.
Plötzlich legte jemand seine Hand auf meine Schulter. Erschrocken fuhr ich herum – und sah in das Gesicht eines verwahrlost aussehenden Mannes. Ich hielt ihn für einen Obdachlosen. Er lächelte und gab so den Blick auf zwei Reihen vergammelter Zahnstummel frei. Ein ungepflegter Stoppelbart zierte sein Gesicht, und seine grobporige Nase war stark gerötet. Er trug einen alten Anorak, dessen Kapuze er sich tief in die Stirn gezogen hatte. Eine Alkoholfahne schlug mir entgegen.
Armer Kerl, dachte ich und erklärte bedauernd: »Ich habe leider nichts, Kumpel.«
Sein Lächeln verbreiterte sich noch. »Ich hab aber was für dich«, entgegnete er mit krächzender Stimme und hielt ein Bündel in die Höhe.
Es sah aus wie ein zusammengeschnürtes Päckchen. Ich trat einen Schritt zurück und machte eine abwehrende Handbewegung. »Nichts für ungut, aber lass stecken. Ich brauche das nicht.«
Rasch wandte ich mich von ihm ab und wollte weitergehen. Die Situation war mir nicht geheuer.
»Du bist doch Robert Weber, richtig?«
Ich war perplex. Woher kannte er meinen Namen? Ich überlegte kurz, ob er mich vielleicht im Gericht gesehen hatte. Meine Verhandlung war öffentlich gewesen, und es wurde natürlich auch mein Name genannt. Jedoch waren nur wenige Zuschauer im Saal gewesen, was ich während des Prozesses erleichtert festgestellt hatte.
»Dann ist das für dich!«, behauptete der Mann mit Nachdruck und hielt das Paket ein wenig höher. »Jetzt nimm schon den Scheiß, sonst lasse ich es fallen.«
Reflexartig griff ich danach. Das Bündel war ziemlich schwer. »Von wem ist das?«, fragte ich.
Er drehte sich um und zeigte auf eine Parkbank vor einem Denkmal. Auf ihr saß jedoch niemand. »Von da«, grummelte er.
Es dauerte einen Moment, bis ihm bewusst wurde, dass dort keiner mehr war. Verärgert ließ er den Arm fallen. Dann lachte er plötzlich hysterisch, klopfte mir auf die Schulter und schlurfte davon.
Ich schaute mich um, da ich erwartete, dass uns irgendjemand beobachtete, erblickte aber weit und breit niemanden, der sich für uns zu interessieren schien. Als ich mich wieder dem Obdachlosen zuwandte, war dieser bereits einige Meter entfernt. »Warte!«, rief ich ihm hinterher.
Er begann zu rennen, was ihm in seinem alkoholisierten Zustand schwerzufallen schien. Eine junge Frau, die mit ihrem kleinen Sohn unweit von uns Enten gefüttert hatte, schaute aufgeschreckt zu uns herüber. Ich beschloss daher, dem Obdachlosen nicht hinterherzulaufen.
Verwirrt blickte ich auf das Bündel in meiner Hand. Es war mit einem Stück Stoff umhüllt und sorgfältig mit Paketband zugeschnürt. Ich versuchte, die Knoten zu lösen, musste jedoch feststellen,
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