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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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gelangt, hörte ich hinter mir plötzlich die dunkle Stimme eines Mannes. »He, Sie!«
    Ich drehte mich um und schaute auf einen breitschultrigen Mitarbeiter der Bibliotheksaufsicht, der mit ausgestrecktem Arm auf mich zukam. Er zeigte auf die Tüte in meiner Hand.
    »Die sind hier verboten!«, polterte er.

12
    Dresden, 1714
    Vier Tagesreisen von Draschwitz entfernt schlug Andreas Gärtner mit kräftigen Faustschlägen gegen die Tür der kurfürstlichen Hofbuchdruckerei. Er war ein fein gekleideter stattlicher Herr, der in der Stadt und Umgebung als Hofbaumeister gut bekannt war. Der Adel schätzte seine Arbeit als Mechanikus, seitdem er einige Jahre zuvor für seinen Kurfürsten August den Starken eine Weltzeituhr geschaffen hatte, die in der Lage war, dreihunderteinundsechzig Ortszeiten auf der ganzen Erde gleichzeitig anzuzeigen.
    An diesem Abend öffnete ihm der Hofbuchdrucker Johann Riedel höchstpersönlich.
    »Meister Gärtner, tretet ein. Ich habe Euch nicht erwartet. Euer Kommen wurde mir nicht angekündigt.« Er schien erschrocken zu sein und fragte besorgt: »Hat der Kurfürst etwas zu drucken?«
    »Nein, nein«, beruhigte ihn der Gast mit geschäftiger Miene. Er hielt dem Drucker ein Manuskript entgegen.
    »Heute komme ich in eigener Sache. Diese Schrift von großer Wichtigkeit bedarf des Druckes in dreihundert Exemplaren, und zwar bis morgen Mittag.«
    »Alle Setzer sind beschäftigt, und auch die Pressen laufen alle; ich fürchte, dies wird einige Zeit in Anspruch nehmen«, erklärte der Drucker mit jammervoller Stimme. Entschuldigend fügte er hinzu: »Hätte ich Euer Kommen erwartet, mein Herr, ich hätte anders disponiert.«
    »Vielleicht macht dies Euch möglich, meinen Auftrag bevorzugt zu behandeln«, erwiderte Gärtner und übergab dem Drucker ein schweres Ledersäckchen. Riedel öffnete es und griff mit spitzen Fingern hinein, um die darin enthaltenen Münzen zu zählen. Dann schnürte er den kleinen Beutel wieder zu und ließ ihn mit einer flinken Bewegung in einer Tasche seines Rocks verschwinden.
    »Ihr könnt fest damit rechnen, dass Euer Auftrag morgen erledigt ist, mein Herr. Und wenn meine Setzer die ganze Nacht arbeiten müssen, diese faulen Hunde«, sicherte er dem Besucher zu und machte eine angedeutete Verbeugung.
    »Hervorragend«, antwortete Gärtner. »Ich weiß Eure Treue zu schätzen!« Er übergab das Manuskript und verließ rasch wieder die von einem ohrenbetäubenden Lärm durchdrungenen Räume.

13
    Die mir vom Gericht auferlegten Sozialstunden leistete ich in einem Hamburger Seniorenheim der Arbeiterwohlfahrt ab. Dort gab es eine kleine Cafeteria, die ich nachmittags gemeinsam mit einem Pfleger zu betreiben hatte. Ich schenkte an die Bewohner Kaffee aus und verteilte Kuchen.
    Es war eine ruhige Tätigkeit, und ich fing nach anfänglichem Widerstreben sogar an, sie zu mögen. Zwischendurch blieb mir Gelegenheit, mit den greisen Gästen meiner Cafeteria ins Gespräch zu kommen.
    Als Student und auch als junger Patentanwalt war das Leben von dem Gefühl des Aufbruchs durchdrungen gewesen; stets lebte ich mit dem Bewusstsein, dass ich erst am Beginn eines langen, mir unbekannten Weges stand. In dem Seniorenheim befand ich mich plötzlich mitten unter Menschen, die am anderen Ende des Weges angekommen waren. Sie schauten nicht mehr nach vorne, sondern blickten alle nur noch zurück auf den Weg, den Sie gegangen waren. Dass wir uns nun trafen, war für beide Seiten eine merkwürdige Abwechslung vom Alltag. Es brachte die beiden Enden des Weges auf magische Weise zusammen. Und während ich in der Cafeteria saß, zwischen all den alten Menschen, verstand ich, dass der Weg, auf dem wir alle uns befanden, gar keinen Anfang und kein Ende hatte, sondern dass es nur ein großer Kreis war, den wir entlangschritten und auf dem wir uns nun begegneten.
    Ich musste nur drei Nachmittage die Woche in dem Heim erscheinen und hatte so genügend Zeit, mir über meine Zukunft Gedanken zu machen. Aus der Anfangszeit meiner Tätigkeit in der Patentkanzlei hatte ich noch einige Ersparnisse übrig; zudem gab es ein altes Sparkonto, das meine Eltern vor Jahrzehnten für mich angelegt hatten. Mit diesen Rücklagen würde ich mich einige Monate noch ganz gut über Wasser halten. Mir war klar, dass die Erfahrungen der letzten Wochen für immer einen großen Einschnitt in meinem Leben bedeuten würden, und so hatte ich beschlossen, die Dinge langsam angehen zu lassen. Ich konnte nicht mehr als Patentanwalt

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