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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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war schlanker als sein Partner und hatte raspelkurz geschorene Haare. Nun rieb er sich seine Hände und stellte den Kragen auf.
    Es war kalt geworden auf der Ladefläche des Transporters.

22
    Merseburg, 1714
    Es war noch früher Morgen. Anders als die Tage zuvor mochte Orffyreus das Bett nicht verlassen. Vom Süden wehte ein für diese Jahreszeit ungewöhnlich warmer Wind, und Orffyreus plagten starke Kopfschmerzen. Die vergangenen Nächte hatte er in dem zur Werkstatt umgebauten Schuppen an seiner Konstruktion gearbeitet. Kein anderer, noch nicht einmal die Kinder, durften ihn betreten.
    Seit einigen Wochen lebte Orffyreus mit seiner Familie auf dem Grünen Hof vor dem Sixti Thore, etwas außerhalb der Stadtmauer. Der Grüne Hof verdankte seinen Namen der mit Efeu berankten Fassade. Westlich vom Anwesen lag der Friedhof; östlich erhob sich die Ruine eines alten Kirchenhauses, das während des dreißig Jahre dauernden Krieges zerstört wurde und bis heute auf seinen Wiederaufbau wartete. Im Unterschied zum Rittergut in Draschwitz war der Grüne Hof ein gepflegtes Anwesen. Die Herrschaftshäuser befanden sich in bestem Zustand; und die Ställe und Gartenanlagen waren gepflegt.
    Orffyreus war mit seiner Familie im großzügig ausgestatteten Gästehaus untergekommen. Sein Gefolge wohnte in einer danebenstehenden Baracke, die ebenfalls in einem recht guten Zustand war und sogar den Regen abhielt. Das Gästehaus war vollständig aus Stein gebaut und verfügte über zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss gab es einen kleinen Salon, in dem Gäste empfangen werden konnten. Eine spärliche Küche diente zur Zubereitung von Getränken und kalten Speisen. Da das Gästehaus aus der großen Küche des Hauptanwesens versorgt wurde, bedurfte es keiner eigenen Kochstelle. Zur Mittags-und Abendzeit wurden die Speisen vom Küchentrakt einfach herübergetragen.
    Orffyreus hatte dem Geigenherzog bereits kurz nach der Ankunft das Empfehlungsschreiben von Leibniz überbringen lassen. Eine Antwort stand jedoch noch immer aus, was bei ihm zu chronisch schlechter Laune führte.
    Am gestrigen Tag hatte sich seine Stimmung noch mehr verschlechtert, weil auch in Merseburg erste Exemplare der gegen Orffyreus gerichteten Schmähschriften aufgetaucht waren. Ein Knabe von kaum zwölf Jahren hatte sie auf dem Marktplatz verteilt. Orffyreus’ Gehilfen hatten den Jungen dabei zufällig ertappt, ihn furchtbar verprügelt und ihm alle Schriften abgenommen. Gleich nach ihrer Rückkehr auf dem Grünen Hof hatten sie Orffyreus den kleinen Stapel Büchlein überreicht und waren in weiser Voraussicht vor seinem darauf folgenden Wutanfall geflohen.
    Während Orffyreus jetzt immer noch im Bett lag, war Barbara bereits mit der Morgentoilette beschäftigt. Sie war immer noch eine attraktive Frau. Ihr Teint war jedoch längst nicht mehr so frisch und rosig wie in ihren jungen Jahren. An manchen Tagen, wenn sie sich im Spiegel betrachtete, schimpfte sie über das Vagabundenleben, das an ihren Kräften zehrte. Mit Ausnahme dieser kurzen Momente strahlte sie aber immer noch so viel Güte und Herzlichkeit aus, dass jeder schnell Vertrauen zu ihr fasste. In den vergangenen Jahren hatte sie mehr als einmal mit ihrem ausgleichenden Wesen die Wogen geglättet, die Orffyreus verursacht hatte.
    Plötzlich erhob sich draußen vor dem Fenster zum Schlafgemach ein großer Lärm. Selbst durch die geschlossenen Fensterläden war ein Rufen und Schreien zu vernehmen wie bei einer Wirtshausschlägerei. Orffyreus versuchte, sich zu erheben, wurde von den übermächtigen Schmerzen in den Schläfen jedoch wieder ins Bett gedrückt.
    »Was ist …«, stöhnte er, als kurz darauf Gustav hineingestürmt kam. Er blutete aus einer Wunde an der rechten Kopfseite.
    »Ein Überfall!«, keuchte er aufgeregt. »Im Hof sind Männer, welche sich Zutritt zu Eurer Werkstatt verschafft haben! Sie haben Knüppel dabei und sind zu siebt oder acht!«
    Barbara, die noch den Morgenrock trug, kreischte auf und versteckte sich hinter einem als Sichtschutz aufgestellten Paravent.
    Erneut versuchte Orffyreus sich zu erheben, kam jedoch gegen den stechenden Schmerz in seinem Kopf abermals nicht an.
    Draußen schrie jemand Orffyreus’ Namen. Gustav öffnete das Fenster. Unten im Hof stand ein gut gekleideter Herr, der seine Hände vor seinem Mund zu einem Trichter geformt hatte und Orffyreus rief. Umringt wurde er von sechs kräftig gebauten Männern in Bergmannskleidung, von denen jeder mit einem Stecken oder

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