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Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)

Titel: Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tibor Rode
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keine Ahnung. Vermutlich ist es Neid. Vielleicht arbeitet er selbst an einem Perpetuum mobile.« Orffyreus stöhnte und fasste sich an seinen Kopf.
    Barbara begann zu schluchzen. »Und was ist mit unseren Kindern? Heute sind sie sogar mit Waffen gekommen. Langsam habe ich genug von deinen Ideen, diesem Perpetuum mobile – diesem Ungeheuer! Können wir nicht endlich ein normales Leben führen?«
    Urplötzlich fuhr Orffyreus, seinen Kopfschmerzen zum Trotz, auf und schrie seine Frau an, die verschreckt zusammenfuhr. »Du hast genug? Genug von meinen Ideen? Ungeheuer nennst du meine Erfindung? Es ist unsere einzige Hoffnung auf eine bessere Zukunft! Für uns und die Kinder! Meine Erfindung wird sie adeln und nicht umbringen! Ich bin kurz davor, das, was du ein Ungeheuer nennst, zu vergolden!«
    Er griff nach einem Paar Hausschuhen, welche neben dem Bett standen, und schleuderte sie wütend auf seine Frau. Sie duckte sich und wich den Geschossen überraschend geschickt aus.
    »Und nun raus hier!«, brüllte Orffyreus wie von Sinnen.
    Verängstigt lief Barbara mit hysterischem Geschrei zur Schlafzimmertür und rettete sich in den Flur, bevor weitere Wurfgeschosse sie erreichen konnten. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, sank Orffyreus unter heftigem Stöhnen zurück auf sein Kissen und schloss die Augen. Nach einem Augenblick der Ruhe öffnete er sie wieder und vergewisserte sich noch einmal, dass er nun tatsächlich allein war. Dann beugte er sich laut ächzend über die Bettkante und schaute mit einer angestrengten Verrenkung seines Nackens unter das Bett. Dort lag sorgsam verstaut, eingehüllt in ein Wachstuch, die innerste Mechanik des Rades.
    Niemals würde er sie über Nacht außerhalb seiner Schlafgemächer aufbewahren.

23
    Ich holte meine Kopien der beiden Werke von Orffyreus hervor, die Julia mir bei unserem ersten Zusammentreffen überlassen hatte.
    »Liest du überhaupt die Bücher, die du restaurierst?«, fragte ich sie.
    »Definiere ›Lesen‹«, antwortete sie.
    »Na, ich meine … Wort für Wort begreifen und sich mit dem Inhalt auseinandersetzen. Lesen eben.«
    »Ich versuche sie zu verstehen. Bücher sind wie Menschen. Die Worte, die sie beherbergen, sind letztlich nur eine vom Verfasser zufällig gewählte Aneinanderreihung von Buchstaben. Wie leicht könnte man einzelne Buchstaben oder sogar ganze Wörter austauschen, ohne dass es das Buch grundlegend verändern würde. Nicht umsonst wird gesagt, man muss zwischen den Zeilen lesen, wo scheinbar nichts als weißes Papier ist. Tatsächlich interessiert mich das, wovon die Worte nur ein Bestandteil sind: die Seele eines Buches.«
    Ich bemühte mich, ihre Worte zu verstehen. »Du glaubst, ein Buch hat eine Seele?«, fragte ich erstaunt.
    »Natürlich keine wie wir! Aber ein literarisches oder vielleicht kulturelles Wesen! Schau dir altertümliche Bücher an: Nicht nur das, was die Worte ausdrücken, ist entscheidend. Auch, in welcher Schriftart sie geschrieben sind. Die Tinte, mit der der Autor seine Gedanken zu Papier gebracht hat. Das Material, aus dem das Papier ist!« Julia sprach laut vor Begeisterung. »Man kann die Papierfasern fühlen, die die Tinte in sich aufgesogen und über Jahrhunderte festgehalten haben. Oder denk an die Buchdeckel und Buchrücken, die als Pracht-oder Gebrauchseinband angelegt wurden. Und schließlich der Geruch. Kein Buch riecht wie das andere. Sogar der Klang, wenn man es amüsiert oder traurig zuklappt, unterscheidet sich von Buch zu Buch. All dies macht die Seele eines Buches aus. Und als Restauratorin ist es an mir, all diese Ausdrucksformen zu verstehen und die Seele eines Werkes zu erkennen, bevor ich mit meiner Arbeit beginne. Nur dann kann ich versuchen, das Buch in eine Form zu bringen, die seinem früheren Zustand am nächsten kommt. Denn darum geht es beim Restaurieren: die Seele zu erhalten!«
    Julias Augen leuchteten, wie ich es bei ihr bisher noch nicht gesehen hatte. Ich bewunderte Menschen, die eine Leidenschaft hatten. Meines Erachtens besaß ich keine – außer vielleicht für Frauen, in die ich mich ernsthaft verliebte.
    »Die beiden Bücher von Orffyreus habe ich vor dem Restaurieren durchgelesen, fand den Inhalt aber nicht besonders spannend«, sagte sie nun wieder in nüchternem Tonfall.
    Ich nickte zustimmend. »Dieser Orffyreus war kein großer Literat. Aber eine Stelle ist mir besonders aufgefallen – und ich weiß nicht genau, warum.« Ich schlug die Seite auf, in der das

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