Das Rad der Ewigkeit: Roman (German Edition)
drauf.«
Scheffler zeigte ihr die Seite des Feuerzeugs. »Schauen Sie: Hier auf der Seite des Schlosskastens ist das Wappen von Orffyreus eingraviert. Ich erwähnte ja bereits, dass Orffyreus hier in Bad Karlshafen lebte. Seine Erben haben seinen Besitzstand über Generationen weitergepflegt. Mir gelang es, viele Gegenstände aus dem Hause Bessler im Paket zu erwerben. Dazu gehört auch dieser Federkiel mit der Streusanddose in der Vitrine.«
»Streusanddose?«, fragte ich.
»Diese Dosen standen damals auf jedem Schreibtisch«, erklärte Julia. »Sie dienten zum Ablöschen der Tinte, die früher sehr viel langsamer trocknete als heute.«
»Sehr gut!«, lobte Scheffler. »Sie haben ja wirklich Ahnung.«
»Sie ist Buchrestauratorin«, merkte ich an.
»Na, dann wissen Sie ja über diese Dinge mehr als ich!« Scheffler ergriff die Dose, die oben Löcher hatte und daher wie ein Zuckerstreuer aussah. »Aus einem Stück gearbeitet. Abgedrehtes Zinn.«
»Heute benutzt man so etwas, um Puderzucker auf Waffeln zu streuen!«, scherzte ich.
Der Antiquitätenhändler schraubte die Dose auf. Darin war feinster Sand zu erkennen. »Zerriebenes Glas. Auch der Sand stammt aus jener Zeit. War nicht leicht zu bekommen, aber das Internet macht vieles möglich.« Er verschloss die Dose und stellte sie vorsichtig in die Vitrine zurück. »Auch der alte Sekretär dort neben der Tür stammt aus jenem Haus und …« – er lächelte verschmitzt, trat zu einem Regal und deutete auf eine der Kisten – »… diese acht Bücher. Sie sind in diesen Kisten verwahrt, damit sie nicht verfallen. Glücklicherweise enthielt das Papier damals noch nicht wie in späteren Epochen Säure. Erstaunlicherweise sind Bücher aus dem achtzehnten Jahrhundert daher weniger empfindlich als jüngere Werke. Aber das wissen Sie ja.«
Den letzten Satz hatte er an Julia gerichtet. Sie lächelte und nickte. Scheffler nahm die Kiste aus dem Regal, öffnete sie und hielt sie uns entgegen. Ich warf einen Blick hinein und erkannte die Einbände: Julia hatte genau die gleichen Bücher restauriert.
»Das sind ja … Die Bücher kenne ich!«, rief sie verblüfft und erklärte, als sie den fragenden Blick des Antiquitätenhändlers sah: »Ich habe solche Bücher restauriert, und zwar für die Landes-und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel!«
Schefflers Gesicht hellte sich auf. »Das ist gut möglich. Die Bücher gab es damals in kleiner Auflage. Ich bin im Besitz dieser Originale und die in Kassel wohl auch.«
»Darf ich sehen?«, fragte Julia mit leuchtenden Augen. »Die Bücher in Kassel waren in einem so schlechten Zustand, dass ich mir nicht ganz sicher war, wie sie ursprünglich aussahen. Ich habe mich lange damit beschäftigt. Aber Ihre Ausgaben sind noch fast unversehrt!«
Ich spürte ihre Begeisterung. Für sie war dieser Raum in diesem Augenblick wie eine Zeitmaschine.
Scheffler gab ihr ein paar weiße Filzhandschuhe, die sie sogleich anzog. Dann drehte sie die Bücher vor ihren Augen hin und her. »Genau so habe ich sie mir vorgestellt!«, murmelte sie.
»Dann haben Sie sich ja doch schon intensiver mit Orffyreus befasst, als ich dachte«, bemerkte Scheffler und warf uns abwechselnd einen fragenden Blick zu.
Julias spontane Reaktion hatte uns also ein wenig verraten. Ich versuchte, ihn etwas abzulenken, indem ich fragte: »Von dieser Poëtischen Apologie – wie viele Bände gibt es da eigentlich?«
»Was denken Sie denn, wie viele Teile es sind?«, entgegnete er vorsichtig.
»Na, ich kenne zwei Teile«, log Julia, die sehr darum bemüht war, überzeugt zu klingen.
Der Antiquitätenhändler musterte sie kurz, dann deutete er in den Kasten, den er immer noch in der Hand hielt. »Ganz genau. Beide Teile habe ich hier.« Er stellte die Kiste zurück in das Regal und zog eine andere hervor. »Dies sind Briefe, die Orffyreus und Leibniz sich geschrieben haben. Die damals verwendete Eisen-Gallus-Tinte greift leider das Papier besonders an, daher sind sie nicht mehr in bester Verfassung.« Er stellte auch diese Box zurück in das Regal. »Sie sehen, ich war über die Jahre fleißig und habe eine ansehnliche Sammlung an Gegenständen zusammengestellt, die das Leben und Schaffen von Orffyreus dokumentieren!«
Ich nickte anerkennend.
Scheffler schaute auf seine Armbanduhr. »Oh, bald muss ich das Antiquitätengeschäft öffnen. Ich schlage vor, Sie sehen sich hier ein wenig um.«
»Vielen Dank für das großzügige Angebot. Selbstverständlich wollen
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