Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
andere hatten die Arme voller Blumen. Einer Aes Sedai wurde mehr Ehre zuteil als einer bloßen Lady, wie hochgestellt ihr Haus auch sein mochte.
Der Anblick Moiraines ließ Merean die Augen zusammenkneifen. »Eine Überraschung, Euch hier zu sehen«, sagte sie langsam. »Aus Eurem Kleid schließe ich, dass Ihr Eure Verkleidung aufgegeben habt? Aber nein. Immer noch kein Ring, wie ich sehe.«
Moiraine war so verblüfft über das plötzliche Auftauchen der anderen Frau, dass sie kaum mitbekam, was sie sagte. »Seid Ihr allein?«, stieß sie hervor.
Einen Moment lang kniff Merean die Augen zu Schlitzen zusammen. »Larelle hat beschlossen, ihre eigenen Wege zu gehen. Nach Süden, glaube ich. Mehr weiß ich nicht.«
»Ich hatte an Cadsuane gedacht«, sagte Moiraine und blinzelte überrascht. Je mehr sie über Cadsuane nachgedacht hatte, desto überzeugter war sie gewesen, dass die Frau eine Schwarze Ajah sein musste. Das mit Larelle überraschte sie. Larelle war so versessen darauf gewesen, Chachin zu erreichen, und zwar unverzüglich. Natürlich konnte man seine Pläne ändern, aber unvermittelt wurde Moiraine etwas klar, das offensichtlich hätte sein müssen. Schwarze Schwestern konnten lügen. Es war unmöglich – die Eide konnten nicht gebrochen werden! –, und doch musste es so sein.
Merean trat dicht an Moiraine heran, und als Moiraine einen Schritt zurückwich, folgte sie ihr. Moiraine hielt sich aufrecht, reichte der anderen Frau aber trotzdem nur bis zum Kinn. »Seid Ihr so versessen darauf, Cadsuane zu sehen?«, fragte Merean und schaute auf sie herunter. Ihre Stimme klang freundlich, das glatte Gesicht war versöhnlich, aber ihre Augen waren kalt wie Stahl. »Als ich sie das letzte Mal sah, drohte sie, Euch bei Eurer nächsten Begegnung den Hintern so zu versohlen, dass Ihr eine Woche lang nicht würdet sitzen können. Und das wird sie auch tun.«
In dem Moment sah sie die Diener an und schien sich bewusst zu werden, dass sie nicht allein waren. Der Stahl verblasste, verschwand aber nicht ganz. »Cadsuane hatte recht, wisst Ihr. Eine junge Frau, die sich einbildet, dass sie mehr wüsste, als sie tatsächlich weiß, kann sich in große Schwierigkeiten bringen. Ich schlage vor, Ihr seid ganz still und leise, bis wir miteinander reden können.« Die Geste, mit der sie der Shatayan zu verstehen gab, sie solle weitergehen, war gebieterisch, und die würdevolle Frau gehorchte sofort. Ein König oder eine Königin konnten bei einer Shatayan in Ungnade fallen, aber niemals eine Aes Sedai.
Moiraine sah Merean nach, bis sie um eine Ecke am anderen Ende des Flurs verschwunden war. Alles, was Merean gerade gesagt hatte, hätte von einer von Tamras Auserwählten stammen können. Schwarze Schwestern konnten lügen. Hatte es sich Larelle mit der Reise nach Chachin anders überlegt? Oder lag sie irgendwo tot, so wie Tamra und die anderen? Plötzlich stellte Moiraine fest, dass sie ihre Röcke glatt strich. Es fiel ihr leicht, die Hände still zu halten, aber ihr leichtes Zittern konnte sie nicht unterdrücken.
Elis starrte sie mit offenem Mund an. »Ihr seid auch eine Aes Sedai!«, keuchte die Frau, dann zuckte sie zusammen, weil sie es für eine drohende Geste hielt, als Moiraine zusammenzuckte. »Ihr müsst in Verkleidung gekommen sein«, stieß sie atemlos hervor. »Ich werde keinem ein Wort sagen, Aes Sedai. Das schwöre ich beim Licht und bei dem Grab meines Vaters!« Als hätte nicht jede Person in Mereans Begleitung alles mitgehört. Sie würden nicht schweigen.
»Bringt mich zu Lan Mandragorans Gemach«, befahl Moiraine ihr. Was bei Sonnenaufgang richtig war, konnte sich am Nachmittag geändert haben, und dasselbe galt für das, was notwendig war. Sie nahm den Großen Schlangenring aus dem Beutel und steckte ihn an den Finger der rechten Hand. Manchmal musste man alles auf eine Karte setzen.
Nach einem langen, glücklicherweise wortlosen Fußmarsch klopfte Elis an eine rote Tür und sagte der grauhaarigen Frau, die öffnete, dass Lady Moiraine Damodred Aes Sedai den König al’Lan Mandragoran zu sprechen wünsche. Die Frau hatte ausgeschmückt, was Moiraine ihr gesagt hatte. König, wahrhaftig! Es war ein Schock, als die Antwort überbracht wurde, dass Lord Mandragoran nicht den Wunsch habe, mit irgendeiner Aes Sedai zu sprechen. Die grauhaarige Frau sah wie vom Donner gerührt aus, schloss die Tür aber nachdrücklich.
Elis starrte Moiraine mit aufgerissenen Augen an. »Ich kann meine Lady Aes Sedai
Weitere Kostenlose Bücher