Das Rad der Zeit 0. Das Original: Der Ruf des Frühlings. Die Vorgeschichte (German Edition)
Wasser einzugießen, damit die Lady sich erfrischen konnte. Niemand außer der Dienerschaft würdigte Suki, Lady Moiraines Zofe, auch nur eines Blickes.
»Na gut«, murmelte Siuan, als die Diener sie endlich im Wohnzimmer allein ließen, »ich gebe es zu, ich bin hier drin unsichtbar.« Ihr dunkelgraues Kleid war aus feiner Wolle, aber vollkommen schmucklos, abgesehen von Kragen und Manschetten in den Farben von Damodred. »Du dagegen fällst auf wie ein Hochlord beim Rudern. Beim Licht, ich hätte fast meine Zunge verschluckt, als du gefragt hast, ob sich Schwestern im Palast aufhalten. Ich bin so nervös, dass mir allmählich schwindlig wird. Ich kann kaum atmen.«
»Das ist die Höhe«, versicherte Moiraine ihr. »Daran gewöhnst du dich. Jeder Besucher hätte nach Aes Sedai gefragt, du hast ja gesehen, die Dienerinnen haben nicht mit der Wimper gezuckt.« Sie hatte allerdings auch den Atem angehalten, bis sie die Antwort gehört hatte. Eine einzige Schwester hätte alles verändert. »Ich weiß nicht, wieso ich dir das immer wieder sagen muss. Ein Königspalast ist kein Gasthaus: ›Ihr könnt mich Lady Alys nennen‹, damit würde sich hier niemand zufriedengeben. Das ist eine Tatsache, keine Meinung. Ich muss ich selbst sein. Warum machst du dir deine Unsichtbarkeit nicht zunutze und siehst zu, was du über Lady Ines herausfinden kannst? Ich würde mich freuen, wenn wir so schnell wie möglich wieder abreisen könnten.«
Das wäre am nächsten Tag, ohne jemanden zu beleidigen oder für Gerede zu sorgen. Siuan hatte recht. Alle Blicke im Palast würden auf die fremdländische Adlige gerichtet sein, deren Haus den Aiel-Krieg angefangen hatte. Jede Aes Sedai, die nach Aesdaishar kam, würde sofort von ihr hören, und jede Aes Sedai, deren Weg sie durch Chachin führte, könnte nachsehen kommen. Und wenn dieser Gorthanes noch immer versuchte, sie zu finden, würde die Nachricht, dass sich Moiraine Damodred im Aesdaishar-Palast aufhielt, seine Ohren nur allzu früh erreichen. Ihrer Erfahrung nach kam es in Palästen schneller zu Attentaten als auf Überlandstraßen. Siuan hatte recht; sie stand wie eine Zielscheibe auf einem Podest und hatte keine Ahnung, wer der Bogenschütze sein könnte. Morgen, so früh wie möglich.
Siuan ging hinaus, kehrte aber umgehend mit schlechten Nachrichten zurück. Lady Ines war in Klausur und trauerte um ihren Gemahl. »Er ist vor zehn Tagen beim Frühstück tot in seinen Haferbrei gefallen«, berichtete Siuan, ließ sich auf einen Sessel im Wohnzimmer sinken und den Arm über die Rückenlehne baumeln. Anstandslektionen hatte sie ebenfalls schnell wieder vergessen, nachdem sie die Stola errungen hatte. »Ein wesentlich älterer Mann, aber es scheint, als hätte sie ihn geliebt. Man hat ihr zehn Zimmer und einen Garten auf der Südseite des Palastes gegeben; ihr Mann war ein enger Vertrauter von Prinz Brys.« Ines wollte einen ganzen Monat für sich bleiben und außer ihren engsten Verwandten niemanden empfangen. Ihre Dienerinnen kamen nur heraus, wenn es sich gar nicht vermeiden ließ.
»Eine Aes Sedai wird sie vorlassen«, seufzte Moiraine. Nicht einmal eine Frau in Trauer würde sich weigern, eine Schwester zu empfangen.
Siuan sprang blitzartig auf die Füße. »Hast du den Verstand verloren? Lady Moiraine Damodred erweckt genug Aufmerksamkeit. Moiraine Damodred Aes Sedai könnte genauso gut Kuriere ausschicken! Ich dachte, unser Ziel war, wieder zu verschwinden, bevor jemand außerhalb des Palasts mitbekommt, dass wir hier sind!«
In diesem Augenblick kam eine der Dienerinnen, eine mollige grauhaarige Frau namens Aiko, herein und verkündete, dass die Shatayan eingetroffen sei, um Moiraine zu Prinz Brys zu geleiten, und sah zu ihrem Erstaunen Suki über ihrer Herrin stehen und mit dem Finger auf sie zeigen.
»Sagt der Shatayan , ich werde zu ihr kommen«, erwiderte Moiraine gelassen, und kaum hatte die bestürzte Frau einen Knicks gemacht und sich entfernt, stand sie auf, um auf gleicher Höhe mit Siuan zu sein, was ihr selbst dann schwerfiel, wenn sie ihr überlegen war. »Was schlägst du sonst vor? Fast zwei Wochen zu bleiben, bis sie wieder herauskommt, wird genauso schlimm, und du kannst dich nicht mit ihren Dienern anfreunden, wenn sie mit ihr in Klausur sind.«
»Sie dürfen nur herauskommen, um Besorgungen zu machen, Moiraine, aber ich glaube, ich schaffe es, dass sie mich hineinbitten.«
Moiraine wollte sagen, dass das wahrscheinlich genauso lange dauern würde,
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