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Das Rad der Zeit 1. Das Original

Das Rad der Zeit 1. Das Original

Titel: Das Rad der Zeit 1. Das Original Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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andere in Vergessenheit gerieten. Und wenn sie erfuhren,
dass einige dieser Geschichten tatsächlich mehr als nur Geschichten gewesen
waren, nun ja … Der Krieg der Schatten? Die Zerstörung der Welt? Lews Therin
Telamon? Wie konnte das heute noch von Bedeutung sein? Und was war damals
eigentlich wirklich geschehen?

PROLOG

    Der Drachenberg
    D er Palast bebte immer noch von
Zeit zu Zeit, wenn die Erde grollte, wenn sie aufstöhnte, als wolle sie
leugnen, was doch geschehen war. Streifen von Sonnenlicht fielen durch Risse in
den Wänden. Staubteilchen, die immer noch in der Luft hingen, glitzerten darin.
Brandflecken verunstalteten Wände, Decken und Böden. Breite schwarze
Schmierspuren zogen sich über blasenschlagende Farbe und die Blattgoldauflage
einst strahlend schöner Wandgemälde. Ruß bedeckte den zerbröckelnden Fries mit
den Darstellungen von Menschen und Tieren. Es schien fast, als hätten diese
fortzulaufen versucht, bevor der Wahnsinn sich wieder beruhigte. Überall lagen
die Toten, Männer, Frauen und Kinder, auf der Flucht von Blitzen erschlagen,
die jeden Korridor durchzuckten, oder von lauernden Flammen ergriffen, oder in
die Steine eingesunken, die Steine des Palasts, die sich, beinahe lebendig,
bewegt hatten, gesucht hatten, bis die Stille wiederkehrte. In fremdartig
anmutendem Gegensatz dazu standen die farbigen Wandbehänge und Gemälde – alles
Meisterwerke –, die völlig unbeschädigt dahingen, außer an Stellen, wo die sich
einwölbenden Mauern sie beiseite geschoben hatten. Kunstvoll geschnitzte Möbel,
mit Gold und Elfenbein eingelegt, standen unberührt, und nur wenige waren
umgestürzt, als die Böden sich aufgebäumt hatten. Der Wahnsinn hatte auf das
Herz gezielt und Unwichtiges übersehen.
    Lews Therin Telamon schritt durch den
Palast, und wenn sich die Erde aufbäumte, hielt er doch das Gleichgewicht.
»Ilyena! Meine Liebste, wo bist du?« Der Saum seines blassgrauen Umhangs
schleifte durch Blut, als er über die Leiche einer Frau sprang, deren
goldblonde Schönheit vom Schrecken der letzten Momente ihres Lebens zerstört
worden war. Ihre aufgerissenen Augen waren in ungläubigem Staunen erstarrt. »Wo
bist du, geliebte Frau? Wo verbergt Ihr euch alle?«
    Sein Blick erspähte das eigene Abbild in
einem Spiegel, der schief an einer aufgeworfenen Marmorwand baumelte. Seine
kostbare Kleidung, grau und golden und purpurfarben, aus fein gewebten Tuchen,
die Händler von jenseits des Weltmeeres mitgebracht hatten, war nun zerrissen
und schmutzig und genau wie sein Haar und seine Haut von einer dicken
Staubschicht bedeckt. Einen Augenblick lang fuhren seine Finger das Symbol auf
dem Umhang nach, einen Kreis mit einer weißen und einer schwarzen Hälfte, die
durch eine fließende Linie voneinander getrennt waren. Dieses Symbol hatte
irgendeine Bedeutung. Rasch jedoch schweifte seine Aufmerksamkeit von dem
gestickten Kreis ab. Staunend betrachtete er wieder sein Spiegelbild. Ein hoch
gewachsener Mann, der gerade in die mittleren Jahre gekommen war, einst gut
aussehend, doch nun war sein Haar schon eher weiß als braun zu nennen, und das
Gesicht war von Überanstrengung und Sorgen zerfurcht. Die dunklen Augen hatten
schon viel zu viel gesehen. Lews Therin begann leise zu lachen, dann warf er
den Kopf zurück, und sein lautes Gelächter kehrte als Echo aus den unbelebten
Hallen zurück.
    Â»Ilyena, meine Liebste! Komm zu mir, mein
Weib. Das musst du sehen!«
    Hinter ihm schimmerte die Luft, floss in
Wellen ineinander und gebar aus diesem Wirbel einen Mann, der sich umsah und
dabei kurz den Mund vor Ekel verzog. Er war nicht so groß wie Lews Therin und
ganz in Schwarz gekleidet. Nur der schneeweiße Spitzenkragen um den Hals und
der silberne Zierrat an den oben umgeschlagenen hüfthohen Stiefeln stachen aus
dem Schwarz hervor. Er schritt vorsichtig durch den Saal und hob sorgfältig den
Umhang, damit er die Leichen nicht streifte. Der Boden erzitterte in Nachbeben,
aber seine Aufmerksamkeit galt dem Mann, der in den Spiegel starrte und lachte.
»Herr des Morgens«, sagte er, »ich bin gekommen, um Euch zu holen.«
    Das Lachen brach ab, als sei es nie
gewesen, und Lews Therin drehte sich – anscheinend keineswegs überrascht – zu
ihm um. »Ach, ein Gast. Habt Ihr eine gute Stimme, Fremder? Es wird bald Zeit,
das Singen zu beginnen, und hier sind alle

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