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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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größer, da man die Chishen-Berge überqueren musste, und die Menschen hier waren eher an die Besuche von Viehdieben aus Murandy gewöhnt, welche die nahe Grenze überquerten, als an andere Besucher, insbesondere wenn die Besucherin Tochter-Erbin und Aes Sedai in einer Person war. Diese Ehre schien mehr zu sein, als die Dienerschaft ertragen konnte. Elsie hatte das blaue Seidennachthemd, das Elayne in der Nacht getragen hatte, mit übertriebener Gewissenhaftigkeit zusammengefaltet und in eine große Reisetruhe aus Leder gepackt. Davon standen zwei im Ankleidezimmer des Gemachs. Sie hatte es so gewissenhaft gemacht, dass Elayne es ihr beinahe aus den Händen genommen hätte, um es selbst zu tun. Sie hatte zuerst schlecht geschlafen und war immer wieder aufgewacht, dann hatte sie verschlafen, und sie war außer sich, dass sie sich noch nicht auf dem Rückweg nach Caemlyn befand.
    Dies war die fünfte Nacht, die sie seit der Nachricht von den anrückenden Heeren außerhalb von Caemlyn verbracht hatte, und bei jeder Reise hatte sie jeweils einen Tag darauf verwandt, drei oder vier Herrenhäuser zu besuchen – einmal sogar fünf –, die alle Männer und Frauen gehörten, die durch Blut oder Eide mit dem Haus Trakand verbunden waren, und jeder Besuch kostete Zeit. Gerade der Zeitdruck lastete schwer auf ihr, aber es war unumgänglich, das richtige Bild zu präsentieren. Wenn sie nicht wie eine Flüchtige aussehen wollte, brauchte sie Reitkleidung, um von einem Herrenhaus zum nächsten zu reisen, aber sie musste sich vor den Empfängen umziehen, ob sie nun dort übernachtete oder nur wenige Stunden blieb. Zwar wurde die Hälfte dieser Stunden davon in Beschlag genommen, die Reitkleidung gegen ein Gewand einzutauschen, aber Reitkleidung kündete von Hast und Bedürftigkeit, vielleicht sogar von Verzweiflung, während die Adelskrone der Tochter-Erbin und ein mit viel Spitze gesäumtes und mit aufwendigen Stickereien verziertes Gewand, das man aus einer Reisekiste holte und anlegte, nachdem man sich gewaschen hatte, der Welt Zuversicht und Stärke zum Ausdruck brachte. Sie hätte gern ihre Zofe mitgenommen, um den Eindruck noch zu verstärken, aber für Essande war die winterliche Reise zu anstrengend; außerdem hätte die Bedächtigkeit der weißhaarigen Frau sie vor Ungeduld vermutlich in die eigene Zunge beißen lassen. Andererseits hätte Essande niemals so langsam sein können wie die zaghafte und verschreckte junge Elsie.
    Endlich reichte ihr Elsie den pelzgefütterten roten Umhang mit einem Knicks, und Elayne schwang ihn sich hastig über die Schultern. Im Kamin prasselte ein Feuer, aber der Raum war alles andere als warm, und in letzter Zeit schien sie einfach nicht dazu fähig zu sein, die Kälte verlässlich zu ignorieren. Das Mädchen senkte den Kopf, während sie fragte, ob es ihrer Majestät recht sei, wenn sie nach den Männern schickte, die die Kisten runtertrugen. Beim ersten Mal hatte Elayne ihr in aller Ruhe erklärt, dass sie noch nicht die Königin war, aber Elsie schien die Vorstellung, sie einfach nur als Lady oder auch nur als Prinzessin anzusprechen – obwohl das Letztere in Wahrheit als überaus altmodisch galt –, schlichtweg zu entsetzen. Ob es sich nun gehörte oder nicht, für gewöhnlich freute es Elayne, wenn jemand ihr Recht auf den Thron anerkannte, aber an diesem Morgen war sie zu müde, als etwas anderes als Ungeduld zu empfinden. Sie unterdrückte ein Gähnen und befahl Elsie kurz angebunden, die Männer zu holen und sich dabei zu beeilen, dann wandte sie sich der holzgetäfelten Tür zu. Das Mädchen eilte los, um sie zu öffnen, was mehr Zeit in Anspruch nahm, als hätte sie es selbst getan, und sie machte einen Hofknicks, bevor sie sie öffnete und auch danach. Elaynes seidener Reitrock knisterte laut, als die Beine bei jedem ihrer energischen Schritte aneinanderscheuerten, während sie die roten Reithandschuhe ungeduldig zurechtzupfte. Hätte Elsie sie noch eine Sekunde länger aufgehalten, hätte sie vermutlich laut geschrien.
    Aber es war das Mädchen, das aufschrie, bevor Elayne drei Schritte weit gekommen war, ein furchterfülltes Heulen, das sich ihrer Kehle entrang. Der Umhang bauschte sich auf, als Elayne herumfuhr, während sie die Wahre Quelle umarmte und fühlte, wie das überwältigende Saidar durch sie hindurchflutete. Elsie stand auf dem Teppich, der die hellbraunen Bodenfliesen bedeckte, und starrte mit vor den Mund gepressten Händen in den Gang auf der

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