Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
goldenen Kerzenständer beschwert hatte. Die meisten Aiel hatten für Karten nichts übrig, aber Sevanna hatte sie zusammen mit anderen Feuchtländersitten schätzen gelernt. »Was auch immer geschehen ist, es ist weit weg von uns, Therava. Das habt Ihr gesagt, so wie jede Weise Frau. Die Stadt ist voller Vorräte, sie kann uns wochenlang ernähren, wenn wir hierbleiben. Wer soll uns hier herausfordern, sollten wir bleiben? Und wenn wir es tun … Ihr kennt die Gerüchte, die Botschaften. In zwei oder drei Wochen, höchstens vier, werden sich mir zehn weitere Septen angeschlossen haben. Vielleicht auch mehr! Wenn man den Feuchtländern aus der Stadt Glauben schenken kann, wird der Schnee bis dahin geschmolzen sein. Dann werden wir schnell reisen können, statt alles auf Schlitten ziehen zu müssen.« Faile fragte sich, ob die Städter den Schlamm erwähnt hatten.
»Zehn weitere Septen werden sich Euch anschließen«, sagte Therava. Ihre Hand schloss sich um den Messergriff. »Ihr sprecht für den Clanhäuptling, Sevanna, und darum hat man mich erwählt, Euch wie ein Clanhäuptling zu beraten, der zum Wohle des Clans auf den Rat hören muss. Ich rate Euch, nach Osten zu ziehen. Die anderen Septen können sich uns genauso gut in den Bergen anschließen, und wenn wir unterwegs ein bisschen hungern müssen, wem unter uns sind ein paar Entbehrungen fremd?«
Sevanna spielte an einer Kette herum, ein großer Smaragd in ihrer Hand funkelte im Licht der Stehlampen wie ein grünes Feuer. Ihr Mund wurde schmal, was sie noch hungriger aussehen ließ. Sie kannte Entbehrungen, aber trotz der mangelnden Wärme im Zelt hatte sie sich entschieden, in Zukunft darauf zu verzichten. »Ich spreche für den Häuptling, und ich sage, wir bleiben hier.« In ihrer Stimme lag mehr als nur ein Hauch von Herausforderung, aber sie gab Therava keine Gelegenheit, ihr zu widersprechen. »Ah, wie ich sehe, ist Faile da. Meine gute, gehorsame Gai’shain .« Sie nahm einen in ein Stück Tuch gehüllten Gegenstand vom Tisch und wickelte ihn aus. »Erkennst du das, Faile Bashere?«
Was Sevanna da hielt, war ein Messer mit einer einseitig geschliffenen, anderthalb Handspanne langen Klinge, ein simples Werkzeug von der Art, wie es Tausende von Bauern mit sich trugen. Aber Faile erkannte das Muster am Holzgriff und die Ecke in der Schneide. Es war das Messer, das sie gestohlen und mit solcher Sorgfalt verborgen hatte. Sie sagte nichts. Es gab nichts zu sagen. Gai’shain war der Besitz von Waffen verboten, sie durften nicht einmal ein Messer haben, es sei denn, sie mussten fürs Kochen Fleisch oder Gemüse schneiden. Aber als Sevanna fortfuhr, konnte sie ein Zusammenzucken nicht unterdrücken.
»Wie gut, dass Galina mir das gebracht hat, bevor du es benutzen konntest. Für welchen Zweck auch immer. Hättest du jemanden verletzt, müsste ich sehr böse mit dir sein.«
Galina? Natürlich. Die Aes Sedai würde ihnen die Flucht nicht erlauben, bevor sie das getan hatten, was sie wollte.
»Sie ist schockiert, Therava.« Sevannas Gelächter klang amüsiert. »Galina weiß, was von Gai’shain erwartet wird, Faile Bashere. Was soll ich mit ihr machen, Therava? Was ratet Ihr mir? Mehrere Feuchtländer sind getötet worden, weil sie Waffen versteckt hatten, aber ich würde sie nur ungern verlieren.«
Therava legte einen Finger unter Failes Kinn, drückte ihr den Kopf nach oben und starrte ihr in die Augen. Faile erwiderte den Blick, ohne zu blinzeln, aber sie fühlte, wie ihre Knie zitterten. Sie versuchte sich nicht einzureden, dass daran nur die Kälte schuld war. Faile war nicht feige, aber als Therava sie ansah, kam sie sich wie ein Hase in den Krallen dieses Adlers vor, der darauf wartete, dass der scharfe Schnabel nach unten zuckte. Therava war die Erste gewesen, die ihr befohlen hatte, Sevanna auszuspionieren. So vorsichtig die anderen Weisen Frauen auch mit ihren Andeutungen gewesen waren, Faile hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Therava ihr ohne zu zögern die Kehle durchschneiden würde, wenn sie versagte. Es war sinnlos, so zu tun, als würde ihr die Frau keine Angst einjagen. Sie müsste diese Angst nur kontrollieren. Wenn sie das schaffte.
»Ich glaube, sie wollte fliehen, Sevanna. Aber ich glaube auch, dass sie lernen kann, das zu tun, was sie tun soll.«
Der grob gezimmerte Holztisch war hundert Schritte von Sevannas Zelt an der nächsten freien Stelle zwischen den anderen Zelten aufgestellt worden. Zuerst hatte Faile geglaubt, das
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