Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Schlimmste wäre die Scham, nackt zu sein, das und die eisige Kälte. Die Sonne stand niedrig am Himmel, die Luft war kälter geworden, und vor dem nächsten Morgen würde es noch viel kälter werden. Sie würde bis zum Morgen dort liegen müssen. Die Shaido lernten schnell, wie man Feuchtländer demütigen konnte, und sie benutzten Scham als Bestrafung. Faile glaube jedes Mal vor Erröten zu sterben, wenn jemand sie ansah, aber die vorbeigehenden Shaido blieben nicht einmal stehen. Nacktheit war bei den Aiel kein Grund, sich zu schämen. Aravine trat vor sie, blieb aber nur lange genug stehen und flüsterte: »Verliert nicht den Mut.« Dann war sie verschwunden. Faile hatte dafür Verständnis. Ob die Frau nun loyal war oder nicht, sie wagte es nicht, ihr zu helfen.
Nach kurzer Zeit dachte Faile nicht mehr an Scham. Man hatte ihr die Handgelenke auf den Rücken gefesselt, dann waren ihre Fußknöchel nach hinten gebogen und an den Ellbogen festgeschnürt worden. Sie verstand jetzt, warum Lacile und Arrela gekeucht hatten. In dieser Position fiel das Atmen schwer. Die Kälte drang immer tiefer, bis sie heftig zitterte, aber selbst das erschien nebensächlich. Beine, Schultern und die Seiten wurden von Krämpfen heimgesucht, verkrampfte Muskeln, die in Flammen zu stehen schienen, und das Feuer wurde immer heißer. Sie konzentrierte sich darauf, nicht zu schreien. Das wurde zum Kern ihrer Existenz. Sie … würde … nicht … schreien. Aber beim Licht, es tat so weh!
»Sevanna hat befohlen, dass du bis zum Morgengrauen hier liegen sollst, Faile Bashere, aber sie hat nichts davon gesagt, dass du keine Gesellschaft haben darfst.«
Sie musste mehrmals blinzeln, bevor sie klar sehen konnte. Schweiß brannte in ihren Augen. Wie konnte sie schwitzen, da sie doch bis ins Mark fror? Rolan stand vor ihr, und seltsamerweise trug er zwei niedrige Bronzepfannen voller glühender Kohlen. Er hatte um die Griffe Stoff gewickelt, um seine Hände vor der Hitze zu schützen. Als er sah, dass sie die Kohlenpfannen anstarrte, zuckte er mit den Schultern. »Einst hätte mir eine Nacht in der Kälte nichts ausgemacht, aber ich bin verweichlicht, seit ich den Drachenwall überquert habe.«
Beinahe hätte sie aufgestöhnt, als er die Kohlenpfannen unter dem Tisch abstellte. Wärme flutete durch die Spalten zwischen den Holzbohlen. Ihre Muskeln kreischten noch immer vor Krämpfen, aber ach, diese gesegnete Wärme … Dann stöhnte sie doch auf, als der Mann einen Arm um ihre Brust und den anderen unter ihre gebeugten Knie legte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass der Druck von den Ellbogen genommen worden war. Er hatte sie … zusammengedrückt. Eine seiner Hände fing an, ihren Oberschenkel zu bearbeiten, und sie schrie beinahe auf, als sich seine Finger in verknotete Muskeln gruben, aber dann spürte sie, wie sich die Knoten zu lösen begannen. Sie schmerzten noch immer, seine Massage schmerzte, aber der Schmerz in diesem Oberschenkelmuskel veränderte sich. Er nahm zwar nicht gerade ab, aber ihr war klar, dass das passieren würde, wenn er weitermachte.
»Du hast doch nichts dagegen, wenn ich mich beschäftige, während ich darüber nachdenke, wie ich dich zum Lachen bringen kann, oder?«
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie lachte, und zwar nicht hysterisch. Nun ja, nicht wirklich. Sie war verschnürt wie eine Gans, die in den Ofen sollte, und wurde das zweite Mal von einem Mann vor der Kälte gerettet, den sie vielleicht doch nicht erstechen würde. Sevanna würde sie von jetzt an wie ein Falke im Auge behalten, und Therava würde sie vielleicht töten, um ein Exempel zu statuieren. Aber sie wusste, dass sie entkommen würde. Eine Tür schloss sich nie, ohne dass sich eine andere öffnete. Sie würde fliehen. Sie lachte, bis sie weinte.
KAPITEL 10
Ein flammendes Fanal
D ie Dienerin mit den weit aufgerissenen Augen war eher darin geübt, Brotteig zu kneten statt Reihen winziger Knöpfe zu schließen, aber irgendwann hatte sie Elaynes dunkelgrünes Reitkleid zugeknöpft, machte einen Knicks und trat schwer atmend zurück, aber es war nur schwer zu sagen, ob das von der benötigten Konzentration kam oder von der Ehre, sich in Gegenwart der Tochter-Erbin zu befinden. Der Große Schlangenring an Elaynes linker Hand mochte ebenfalls etwas damit zu tun haben. Nur zwanzig Meilen in gerader Linie würden einen vom Herrenhaus des Hauses Matherin zum Erinin mit seinem Flusshandel bringen, aber tatsächlich war die Entfernung viel
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