Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
Fingerspitzen an die Lippen, aber Zaida schien mit dem Zeremoniell genauso ungeduldig zu sein wie Elayne. Sie machte einfach weiter, ohne die Stimme zu heben oder schneller zu sprechen, was für eine vom Meervolk beinahe schockierend abrupt war.
»Die Ersten Zwölf der Atha’an Miere müssen zusammenkommen, um eine neue Herrin der Schiffe zu erwählen. Die Geschehnisse im Westen machen deutlich, dass es keine Verzögerung geben darf.« Shielyn verzog die Lippen zu einem schmalen Strich, und Chanelle hob das Duftkästchen an die Nase, als wollte sie einen bestimmten Geruch vertreiben. Das würzige Parfüm war scharf genug, um den Duft des Rosenöls zu überlagern. Obwohl sie Zaida über ihre Wahrnehmungen unterrichtet hatten, zeigte diese weder Unbehagen noch etwas anderes als Selbstsicherheit. Sie hielt den Blick fest auf Elaynes Gesicht gerichtet. »Wir müssen für alles bereit sein, und darum brauchen wir eine Herrin der Schiffe. Ihr habt mir im Namen der Weißen Burg zwanzig Lehrerinnen versprochen. Ich kann weder Vandene in ihrer Trauer oder Euch nehmen, aber ich werde die anderen drei mitnehmen. Den Rest schuldet mir die Weiße Burg, und ich erwarte, dass diese Schuld bezahlt wird. Ich habe nach den Schwestern im Silbernen Schwan schicken lassen, um mich zu erkundigen, ob sie die Schuld der Burg erfüllen wollen. Aber ich kann nicht auf ihre Antwort warten. Wenn es dem Licht gefällt, werde ich heute Abend zusammen mit den anderen Herrinnen der Wogen im Hafen von Illian baden.«
Elayne musste hart darum ringen, ihr Gesicht reglos zu halten. Die Frau hatte gerade verkündet , dass sie jede ungebundene Aes Sedai in Caemlyn einsammeln und mitnehmen wollte. Und es klang auch nicht so, als wollte sie auch nur eine Windsucherin zurücklassen. Das ließ Elaynes Mut sinken. Bis zu Reannes Rückkehr gab es sieben Kusinen, die stark genug waren, ein Wegetor zu weben, aber zwei von ihnen schafften keines, das groß genug war, einen Pferdekarren hindurchzulassen. Ohne Windsucherinnen wurden die Pläne, Caemlyn von Tear und Illian aus zu versorgen, bestenfalls zweifelhaft. Der Silberne Schwan! Beim Licht, wen auch immer Zaida losgeschickt hatte, würde den von ihr abgeschlossenen Handel in jeder Einzelheit verraten! Egwene würde nicht dankbar sein, diesen Schlamassel an die Öffentlichkeit gebracht zu haben. Elayne konnte sich nicht erinnern, jemals mit einer kurzen Erklärung so viele Probleme in den Schoß geworfen bekommen zu haben.
»Ich bedauere Euren Verlust, wie auch den Verlust der Atha’an Miere«, sagte sie und dachte rasend schnell nach. »Nesta din Reas war eine große Frau.« Auf jeden Fall war sie eine mächtige Frau gewesen, mit einer starken Persönlichkeit. Elayne hatte sich glücklich geschätzt, nach ihrer einzigen Begegnung mit noch mehr am Leib als ihrem Unterhemd gehen zu können. Und nebenbei bemerkt, Unterhemd, sie konnte sich keine Zeit zum Ankleiden erlauben. Zaida würde vielleicht nicht warten. Sie band die Robe fester zu. »Wir müssen uns unterhalten. Essande, lasst für unsere Gäste Wein bringen und Tee für mich. Schwachen Tee«, seufzte sie, als ein Sturm der Vorsicht durch Birgittes Bund drang. »Im kleinen Wohnzimmer. Werdet Ihr Euch zu mir gesellen, Herrin der Wogen?«
Zu ihrer Überraschung nickte Zaida bloß, so als hätte sie das erwartet. Das brachte Elayne darauf, über Zaidas Teil des Vertrages nachzudenken. Die Vereinbarungen; eigentlich waren es ja zwei, und das konnte der Schlüssel zu allem sein.
Niemand hatte damit gerechnet, dass das kleine Wohnzimmer in nächster Zeit benutzt werden würde, darum war die Luft auch noch frostig, nachdem Sephanie mit einem Funkenrad herbeigeeilt war, um die Späne unter der Eiche in dem breiten weißen Kamin zu entzünden und danach sofort aus dem Raum zu eilen. Flammen tänzelten in die Höhe und griffen auf das Holzstück auf dem Feuereisen über, während die Frauen vor den mit schlichten Schnitzereien verzierten Stühlen mit den niedrigen Lehnen Aufstellung nahmen, die im Halbkreis vor dem Kamin aufgestellt waren. Nun ja, Elayne und die Meervolk-Frauen nahmen Aufstellung. Elayne drapierte die Robe sorgfältig über den Knien und wünschte sich, Zaida hätte ihr eine Stunde Zeit gelassen, um sich vernünftig anzuziehen. Die Windsucherinnen warteten unbewegt darauf, dass die Herrin der Wogen Platz nahm, dann setzten sie sich neben sie. Birgitte stand mit finsterer Miene und in die Hüften gestemmten Fäusten vor dem Schreibtisch. Der
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