Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
die Geschehnisse im Palast informiert gewesen wären.
»Eine Schande, dass wir keine falschen Geschichten für die Braune Ajah haben«, sagte Elayne leichthin. Es war wirklich bedauerlich, dass sie und die Roten über die Kusinen Bescheid wussten. Sie wussten zumindest, dass sich im Palast eine große Zahl von Frauen aufhielt, die die Macht lenken konnten, und sie würden nicht lange brauchen, um herauszufinden, um wen es sich dabei handelte. Das würde noch einigen Kummer verursachen, aber der lag in der Zukunft. Plane immer voraus, pflegte Lini zu sagen, aber mach dir wegen dem nächsten Jahr zu viele Sorgen, und du kannst morgen stolpern. »Behaltet Meister Harnder im Auge und versucht herauszufinden, wer seine Freunde sind. Das muss im Augenblick reichen.« Manche Spione verließen sich auf ihre Ohren, entweder um den Klatsch aufzuschnappen oder an Türen zu lauschen, andere schmierten Zungen mit ein paar Pokalen Wein. Der erste Schritt, gegen einen Spion vorzugehen, bestand darin herauszufinden, wie er das erfuhr, was er verkaufte.
Aviendha schnaubte laut, raffte die Röcke und wollte sich auf den Teppich setzen, bevor ihr wieder einfiel, was sie da trug. Mit einem warnenden Blick in Dyelins Richtung hockte sie sich steif auf eine Stuhlkante und bot das Bild einer Hofdame mit blitzenden Augen, wenn man davon absah, dass eine Hofdame nicht die Schneide ihres Gürtelmessers mit dem Daumen geprüft hätte. Hätte Aviendha bestimmen können, hätte sie jedem Spion in dem Augenblick die Kehle durchgeschnitten, in dem man sie für das Messer strafen konnte. Ihrer Ansicht nach war Spionage ein widerwärtiges Geschäft, ganz egal, wie oft Elayne erklärte, dass jeder entlarvte Spion ein Werkzeug war, das man dazu benutzen konnte, ihre Feinde das glauben zu lassen, was sie wollte.
Nicht, dass jeder Spion notwendigerweise für einen Feind arbeitete. Die meisten, die die Haushofmeisterin entlarvt hatte, bekamen aus mehr als nur einer Quelle Geld, und unter denen, die sie identifiziert hatte, befanden sich auch König Roedran von Murandy, diverse tairenische Hochlords und Ladys, eine Handvoll cairhienischer Adlige und eine erkleckliche Zahl von Kaufleuten. Viele Leute waren daran interessiert, was in Caemlyn passierte, ob nun wegen der Auswirkungen auf den Handel oder aus anderen Gründen. Manchmal hatte es den Anschein, als würde jeder jeden ausspionieren.
»Frau Harfor«, sagte sie, »Ihr habt noch keine Augen-und-Ohren der Schwarzen Burg entdeckt.«
Dyelin fröstelte, wie die meisten Leute, vor denen man die Schwarze Burg erwähnte, und nahm einen tiefen Schluck, aber Reene verzog nur leicht das Gesicht. Sie hatte sich entschieden, die Tatsache zu ignorieren, dass es sich hier um Männer handelte, die die Macht lenken konnten; sie konnte ja doch nichts daran ändern. Für sie war die Schwarze Burg ein … Ärgernis. »Sie hatten nicht genug Zeit, meine Lady. Gebt ihnen ein Jahr, und Ihr werdet Diener und Bibliothekare finden, die auch ihre Münzen annehmen.«
»Vermutlich.« Ein scheußlicher Gedanke. »Was habt Ihr sonst noch?«
»Ich habe mit Jon Skellit gesprochen, meine Lady. Ein Mann, der seine Loyalität einmal wendet, ist oft dafür zugänglich, sie erneut zu wenden, und auf Skellit trifft das zu.« Skellit, ein Barbier, stand im Sold des Hauses Arawn, was ihn im Augenblick zu Arymillas Mann machte.
Birgitte stieß einen Fluch aus, den sie nicht zu Ende brachte – aus irgendeinem Grund versuchte sie in Anwesenheit von Reene Harfor ihre Ausdrucksweise zu zügeln –, und sagte dann gequält: »Ihr habt mit ihm gesprochen? Ohne vorher jemanden zu fragen?«
Dyelin hatte keine Vorbehalte, was die Haushofmeisterin betraf, und sie murmelte: »Muttermilch in einem Becher!« Elayne hatte sie noch nie zuvor eine Obszönität benutzen hören. Meister Norry blinzelte, ließ beinahe seine Mappe fallen und bemühte sich angestrengt, nicht in Dyelins Richtung zu sehen. Die Haushofmeisterin schwieg lediglich, bis sie sicher war, dass alle zuhörten, dann fuhr sie ruhig fort.
»Die Zeit erschien reif, und Skellit auch. Einer der Männer, denen er Bericht erstattet, hat die Stadt verlassen und ist noch nicht zurückgekehrt, während sich der andere anscheinend das Bein gebrochen hat. Die Straßen sind immer spiegelglatt, wo ein Feuer gelöscht wurde.« Sie sagte das so sanft, dass es mehr als wahrscheinlich erschien, dass sie beim Sturz des Mannes irgendwie nachgeholfen hatte. Harte Zeiten brachten in vielen Leuten,
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