Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
überhaupt eine Aiel zur Freundin hatte. Dass Elayne diese Freundin mit in die Beratungen einschloss, war wiederum etwas, das sie tolerieren konnte. Allerdings nicht, ohne alle ständig an ihre Nachsichtigkeit zu erinnern. »Ich bin mit fünfzehn zur Hohen Herrin geworden, als mein Vater bei einem Scharmützel auf den Altaranischen Märschen getötet wurde. Meine beiden jüngeren Brüder fielen im selben Jahr im Kampf gegen Viehdiebe aus Murandy. Ich habe mir das angehört, was mir meine Berater gesagt haben, aber ich habe den Reitern von Taravin befohlen, wo sie zuschlagen sollen, und wir haben die Altaraner und Murandianer gelehrt, anderswo zu rauben. Die Zeit trifft die Entscheidung, wann Kinder erwachsen werden müssen, Aviendha, nicht wir, und in diesen Zeiten kann eine Hohe Herrin, die noch ein Kind ist, nicht länger ein Kind bleiben. Was Euch angeht, Lady Birgitte«, fuhr sie in einem trockeneren Tonfall fort. »Eure Ausdrucksweise ist wie immer … farbig.« Sie fragte nicht, woher Birgitte so viel über Artur Falkenflügel wusste, und zwar Dinge, die keinem Historiker bekannt waren, aber sie musterte sie abschätzend. »Branlet und Perival werden meinem Vorbild folgen, und Catalyn vermutlich auch, sosehr ich auch die Zeit bedaure, die ich mit diesem Mädchen verbringen muss. Was Conail angeht, er ist kaum der erste junge Mann, der sich für unverwundbar hält. Wenn Ihr ihn nicht als Generalhauptmann unter Kontrolle halten könnt, schlage ich vor, dass Ihr vor ihm hergeht. So wie er Eure Hosen betrachtet hat, wird er Euch überallhin folgen.«
Elayne ignorierte die reine, unverfälschte Wut, die in ihr aufstieg. Es war nicht ihre Wut, genauso wenig wie sie es gewesen war, die auf Dyelin wütend gewesen war oder dass Birgitte den Wein vergossen hatte. Es war Birgitte. Sie wollte Rand nicht ins Gesicht schlagen. Nun ja, eigentlich wollte sie das schon, aber darum ging es hier nicht. Beim Licht, auch Conail hatte Birgitte angestarrt? »Sie sind die Anführer ihrer Häuser, Aviendha. Niemand aus ihren Häusern würde es mir danken, wenn ich sie nicht mit dem gebührenden Respekt behandeln würde, ganz im Gegenteil. Die Männer, die für sie reiten, werden darum kämpfen, sie am Leben zu erhalten, aber sie reiten für Perival und Branlet, Conail und Catalyn, und nicht für mich. Denn sie sind die Hohen Herrschaften.« Aviendha runzelte die Stirn, aber sie nickte. Abrupt und zögernd – bei den Aiel stieg niemand ohne jahrelange Erfahrung und Zustimmung der Weisen Frauen in eine so hohe Stellung auf –, aber sie nickte.
»Birgitte, du wirst dich mit ihnen auseinandersetzen müssen, vom Generalhauptmann zu den Hohen Herren und Herrinnen. Weißes Haar würde sie nicht unbedingt weise machen, und es würde auch definitiv nicht den Umgang mit ihnen einfacher machen. Sie würden trotzdem ihre eigenen Meinungen haben, und Jahre der Erfahrung würde ihnen Gewicht verleihen, vermutlich wären sie sich zehnmal sicherer als du, was getan werden muss. Oder als ich.« Sie gab sich große Mühe, jede Schärfe aus ihrem Ton herauszuhalten, und zweifellos spürte Birgitte die Anstrengung. Zumindest nahm die Wut ab, die durch den Bund strömte. Sie war nur gemildert, nicht verschwunden – Birgitte genoss es, von Männern angesehen zu werden, zumindest wenn ihr danach war, aber es gefiel ihr nicht im Mindesten, wenn jemand behauptete, sie würde versuchen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen –, aber sie kannte die Gefahr, wenn sie beide ihren Gefühlen freien Lauf ließen.
Dyelin nippte an ihrem Wein, und dabei musterte sie Birgitte immer noch. Nur eine ausgesuchte Handvoll kannte die Wahrheit, die Birgitte verzweifelt zu verbergen versuchte, und Dyelin gehörte nicht dazu, aber die Behüterin war ziemlich sorglos gewesen und hatte hier und da eine Bemerkung fallen gelassen, sodass die ältere Frau davon überzeugt war, dass sich hinter diesen blauen Augen ein Geheimnis verbarg. Allein das Licht wusste, was sie denken würde, sollte sie je dieses Rätsel lösen. Im Moment waren die beiden wie Öl und Wasser. Sie konnten sich darüber streiten, wo genau oben war, und über alles andere erst recht. Diesmal war Dyelin offensichtlich der Ansicht, dass sie gewonnen hatte.
»Das mag ja alles so sein, Dyelin«, fuhr Elayne fort, »aber ich hätte es besser gefunden, wenn Ihr ihre Berater mitgebracht hättet. Was geschehen ist, ist geschehen, aber vor allem Branlet macht mir Sorgen. Wenn das Haus Gilyard mich beschuldigt, ihn
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