Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
was man im Tel’aran’rhiod fand, ganz zu schweigen von dem, was man erschuf, aber dieser Tee schmeckte, als kämen die Blätter aus einem neuen Fass und sie hätte genau die richtige Menge Honig hineingetan. Sie setzte sich auf einen der Stühle, trank aus ihrer Tasse und erklärte, was heute im Saal geschehen war.
Nach den ersten Worten hielt Aviendha ihre Tasse mit den Fingerspitzen fest und betrachtete Egwene, ohne zu blinzeln. Ihre dunklen Röcke und die helle Bluse verwandelten sich in einen Cadin’sor , Mantel und Hosen in Grau und Braun, die mit den Schatten verschmelzen würden. Ihr langes Haar war plötzlich kurz und von einer Shoufa verborgen, der schwarze Schleier hing ihr auf der Brust. Unpassenderweise hing der Elfenbeinreif noch immer an ihrem Gelenk, dabei trugen die Töchter des Speers keinen Schmuck.
»Das alles wegen des Fanals, das wir gefühlt haben«, murmelte sie halb zu sich selbst, als Egwene geendet hatte. »Weil sie glauben, die Schattenbeseelten hätten eine Waffe.« Eine seltsame Weise, es auszudrücken.
»Was sollte es sonst sein?«, fragte Egwene neugierig. »Hat eine der Weisen Frauen etwas gesagt?« Es war lange her, dass sie geglaubt hatte, die Aes Sedai würden alles wissen, und manchmal enthüllten die Weisen Frauen Wissen, das selbst die gleichgültigste Schwester erschüttern konnte.
Aviendha runzelte die Stirn, ihre Kleidung verwandelte sich wieder in Rock und Bluse und Schultertuch, einen Augenblick später in die blaue Seide mit der Spitze, diesmal mit der Kandori-Kette und dem Elfenbeinreif. Der Traumring blieb natürlich an seinem Band. Auf ihren Schultern erschien ein Tuch. Der Raum war so kalt, wie es im Winter üblich war, aber es war kaum denkbar, dass der luftige Stoff aus hellblauer Seide für irgendwelche Wärme sorgen konnte. »Die Weisen Frauen sind so unsicher wie deine Aes Sedai. Obwohl ich glaube, dass sie nicht so viel Angst haben. Das Leben ist ein Traum, irgendwann wacht jeder auf. Wir tanzen die Speere mit Blattverderber …« – dieser Name für den Dunklen König war Egwene immer seltsam vorgekommen, da er doch aus einer baumlosen Wüste kam – »… aber niemand nimmt mit der Gewissheit an dem Tanz teil, dass er überleben oder siegen wird. Ich glaube nicht, dass die Weisen Frauen eine Allianz mit den Asha’man in Betracht ziehen würden. Ist das klug?«, fügte sie vorsichtig hinzu. »Aus dem, was du gesagt hast, konnte ich nicht erkennen, ob du das wünschst.«
»Ich sehe keinen anderen Ausweg«, sagte Egwene zögernd. »Das Loch ist drei Meilen breit. Soweit ich sehe, ist das die einzige Hoffnung, die wir haben.«
Aviendha stierte in ihren Tee. »Und wenn die Schattenbeseelten gar keine Waffe haben?«
Plötzlich wurde Egwene klar, was die andere Frau da tat. Aviendha wurde zur Weisen Frau ausgebildet, und welche Kleidung sie nun auch trug, sie war eine Weise Frau. Vermutlich war das der Grund für das Schultertuch. Ein Teil von Egwene wollte lächeln. Ihre Freundin veränderte sich, aus der oft heißblütigen Tochter des Speers, als die sie Aviendha kennengelernt hatte wurde eine andere Frau. Aber ein anderer Teil von ihr erinnerte sie daran, dass die Weisen Frauen nicht immer die gleichen Ziele wie Aes Sedai verfolgten. Was die Schwestern über alle Maße schätzten, bedeutete Weisen Frauen manchmal gar nichts. Es machte sie traurig, dass sie Aviendha als Weise Frau sehen musste statt nur als Freundin. Eine Weise Frau, die sehen würde, was gut für die Aiel war, statt dem, was gut für die Weiße Burg war. Dennoch war die Frage gut.
»Früher oder später müssen wir uns mit der Schwarzen Burg auseinandersetzen, Aviendha, und Moria hatte recht; es gibt bereits zu viele Asha’man, als dass man darüber nachdenken könnte, sie alle zu dämpfen. Und das auch nur, wenn wir vor der Letzten Schlacht überhaupt wagen könnten, darüber nachzudenken. Vielleicht wird mir ein Traum eine andere Möglichkeit aufzeigen, aber bis jetzt ist das nicht geschehen.« Bis jetzt hatte keiner ihrer Träume ihr auch nur irgendetwas Nützliches gezeigt. Nun, jedenfalls nicht viel. »Das verschafft uns wenigstens einen Einstieg, wie wir mit ihnen umgehen können. Es wird passieren. Falls sich die Sitzenden auf etwas einigen können außer der Tatsache, dass man versuchen muss, eine Vereinbarung zu erzielen. Also müssen wir damit leben. Auf lange Sicht gesehen ist es vielleicht sogar besser so.«
Aviendha lächelte in ihre Teetasse. Es war kein amüsiertes
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