Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
der ihn sah, hätte ihn als Rot beschrieben, und sie hatte ein helles Scharlachrot gewählt, das beinahe leuchtete. »Elaida hat darauf bestanden, und ich konnte nicht ablehnen. Es hat sich viel verändert, seit ich die Burg verließ, sowohl in ihr als auch außerhalb. Alviarin hat jedermann dazu gebracht, die Bewahrerin … mit Vorsicht zu betrachten. Ich vermute, einige werden wollen, dass sie die Prügelstrafe erhält, wenn sie endlich zurückkehrt. Und Elaida …« Sie hielt inne, um einen Schluck Wein zu trinken, aber als sie den Pokal senkte, wechselte sie das Thema. »Ich habe oft gehört, dass man Euch als unkonventionell bezeichnet. Ich habe sogar gehört, dass Ihr einmal gesagt habt, ihr hättet gern einen Behüter.«
»Man hat mich schon Schlimmeres als unkonventionell bezeichnet«, sagte Pevara trocken. Was hatte die Frau über Elaida sagen wollen? Sie hatte sich angehört, als hätte sie die Stola der Bewahrerin der Chroniken abgelehnt, wenn es nach ihren Wünschen gegangen wäre. Seltsam. Tarna war alles andere als schüchtern und zaghaft. Hier schien Schweigen angebracht. Vor allem über Behüter. Sie hatte zu viel geredet, wenn das ein allgemeines Gesprächsthema war. Außerdem, man musste nur lange genug schweigen, und die andere Frau sprach immer, und wenn auch nur aus dem Grund, um die Pausen zu füllen. Man konnte mit Schweigen viel erfahren. Pevara nippte an ihrem Wein. Für ihren Geschmack war zu viel Honig darin und nicht genug Ingwer.
Steif stand Tarna auf und ging zum Kamin, wo sie die Miniaturen auf ihren weiß lackierten Ständern betrachtete. Sie hob eine Hand, um eines der Elfenbeinporträts zu berühren, und Pevara spürte, wie sich ihre Schultern ungewollt versteiften. Georg, ihr jüngster Bruder, war erst zwölf gewesen, als er gestorben war, bei einem Aufstand von Schattenfreunden. Sie waren keine Familie gewesen, die sich Elfenbeinminiaturen leisten konnte, aber sobald sie das nötige Geld gehabt hatte, hatte sie einen Maler gefunden, der ihre Erinnerungen einfangen konnte. Georg war ein hübscher Junge gewesen, groß für sein Alter und völlig furchtlos. Viel später hatte sie erfahren, wie ihr kleiner Bruder gestorben war. Mit einem Messer in der Hand, über der Leiche ihres Vaters stehend, hatte er versucht, den Mob von ihrer Mutter fernzuhalten. Das war nun so viele Jahre her. Sie wären sowieso schon alle lange tot, aber mancher Hass erlosch niemals.
»Wie ich gehört habe, ist der Wiedergeborene Drache Ta’veren «, sagte Tarna schließlich, sie starrte noch immer Georgs Bild an. »Glaubt Ihr, er verändert überall den Lauf der Dinge? Oder verändern wir die Zukunft selbst, ein Schritt folgt dem nächsten, bis wir uns an einem Ort wiederfinden, den wir nie erwartet hätten?«
»Was meint Ihr?«, fragte Pevara etwas schärfer als beabsichtigt. Es gefiel ihr nicht, dass die andere Frau das Bildnis ihres Bruders so intensiv betrachtete, während sie von einem Mann sprach, der die Macht lenken konnte, selbst wenn er der Wiedergeborene Drache war. Sie biss sich auf die Lippe, um Tarna nicht zu bitten, sich umzudrehen und sie anzusehen. Einem Rücken konnte man nichts ablesen.
»Ich habe in Salidar mit keinen großen Schwierigkeiten gerechnet. Auch nicht mit einem großen Erfolg, aber was ich fand …« War das ein Kopfschütteln, oder hatte sie bloß den Winkel verändert, mit dem sie die Miniatur ansah? Sie sprach langsam, aber mit einem Unterton, der etwas an Dringlichkeit erinnerte. »Ich ließ eine Brieftaubenbetreuerin einen Tag vom Dorf entfernt zurück, aber ich brauchte weniger als einen halben Tag, um zu ihr zurückzukehren, und nachdem ich die Vögel mit Abschriften meines Berichts losgeschickt hatte, habe ich ein solches Tempo vorgelegt, dass ich die Frau ausbezahlen musste, weil sie nicht mehr mithalten konnte. Ich weiß nicht einmal genau, wie viele Pferde ich verbraucht habe. Manchmal waren die Tiere so erschöpft, dass ich meinen Ring vorzeigen musste, damit die Stallburschen sie überhaupt tauschten, selbst mit Silber. Und weil ich so ein schnelles Tempo vorlegte, kam ich zufällig in Murandy in ein Dorf, während ein … Rekrutierungszug … da war. Hätte mir das, was ich in Salidar gesehen habe, nicht eine solche Angst um die Burg eingejagt, wäre ich nach Ebou Dar geritten und hätte ein Schiff nach Illian und dann weiter flussaufwärts genommen, aber der Gedanke, nach Süden statt nach Norden zu gehen, der Gedanke, auf ein Schiff warten zu müssen, hat
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