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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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    Eine Antwort
    P evara wartete leicht ungeduldig, während die schlanke Aufgenommene das Tablett auf einem Seitentisch abstellte und den Kuchen abdeckte. Pedra, eine kleine Frau mit ernstem Gesicht, war nicht langsam oder gereizt, den ganzen Morgen mit Besorgungen für eine Sitzende verbringen zu müssen, sondern nur präzise und sorgfältig. Das waren nützliche Eigenschaften, die schätzenswert waren. Doch als die Aufgenommene fragte, ob sie den Wein einschenken sollte, sagte Pevara kurz angebunden: »Das machen wir selbst, Kind. Ihr dürft im Vorzimmer warten.« Beinahe hätte sie der jungen Frau befohlen, sich wieder an ihre Studien zu begeben.
    Pedra breitete die weißen Röcke mit den Streifen in einem anmutigen Knicks aus, ohne Zeichen jener Hektik zu zeigen, die Aufgenommene oftmals verrieten, wenn eine Sitzende barsch war. Allzu oft nahmen Aufgenommene Schärfe im Tonfall einer Sitzenden als Kommentar zu ihrer Befähigung für die Stola auf; als hätten Sitzende keine anderen Sorgen.
    Pevara wartete, bis sich die Tür hinter Pedra geschlossen hatte und der Riegel ins Schloss gefallen war, bevor sie anerkennend nickte. »Sie wird bald zur Aes Sedai erhoben werden«, sagte sie. Es war zufriedenstellend, wenn eine Frau die Stola erlangte, aber ganz besonders, wenn die Frau am Anfang wenig vielversprechend gewesen war. Heutzutage schienen kleine Freuden die Einzigen zu sein, die es gab.
    »Aber wohl keine von uns, glaube ich«, lautete die Erwiderung von ihrem Überraschungsgast, der sich von der Reihe gemalter Miniaturen von Pevaras verstorbener Familie abwandte, die auf der gewellten Marmorverkleidung des Kamins standen. »Sie ist unsicher, was Männer angeht. Ich glaube, sie machen sie nervös.«
    Tarna war mit Sicherheit niemals wegen Männern oder auch irgendetwas anderem nervös gewesen, zumindest nicht, seit sie vor zwanzig Jahren die Stola errungen hatte. Pevara konnte sich an eine sehr nervöse Novizin erinnern, aber die blauen Augen der Frau mit dem hellen Haar waren nun hart. Und so warm wie ein Stein im Winter. Trotzdem hatte dieses kühle, stolze Gesicht etwas an sich, das es an diesem Morgen unbehaglich erscheinen ließ. Pevara konnte sich kaum vorstellen, was Tarna Feir nervös machen konnte.
    Aber die eigentliche Frage bestand darin, warum die Frau gekommen war, um sie zu sehen. Für sie grenzte es schon an eine Ungehörigkeit, einer Sitzenden einen Privatbesuch abzustatten, insbesondere einer Roten. Tarna hatte noch immer ihre Räume im Quartier der Roten, aber solange sie ihre neue Position innehielt, gehörte sie trotz der blutroten Stickerei auf ihrem dunkelgrauen Kleid nicht länger zur Roten Ajah. Die Verzögerung des Umzugs in ihre neuen Räume hätte von Leuten, die sie nicht kannten, als Zeichen des Takts aufgefasst werden können.
    Seit Seaine sie in ihre Jagd nach der Schwarzen Ajah verstrickt hatte, machte alles Ungewöhnliche Pevara misstrauisch. Und Elaida vertraute Tarna, so wie sie Galina vertraut hatte; es war klug, bei jedem , dem Elaida vertraute, große Vorsicht walten zu lassen. Allein der Gedanke an Galina – das Licht sollte diese Frau für alle Ewigkeit brennen lassen! – versetzte Pevara noch immer in Wut, aber da gab es noch eine zweite Verbindung. Auch Galina hatte sich sehr für Tarna interessiert. Gewiss, Galina hatte sich für jede Novizin oder Aufgenommene interessiert, die sich ihrer Ansicht nach vielleicht den Roten anschließen würde, aber es war ein weiterer Grund zur Vorsicht.
    Nicht, dass sich Pevara davon etwas hätte anmerken lassen. Dafür war sie schon zu lange Aes Sedai. Lächelnd griff sie nach der Silberkanne, die auf dem Tablett stand und den süßen Geruch von Gewürzen verströmte. »Trinkt Ihr Wein, Tarna, als Gratulation zur Erhebung?«
    Mit den Silberpokalen in den Händen setzten sie sich in die Spiralen-Lehnstühle, ein Stil, der vor fast hundert Jahren in Kandor aus der Mode gekommen war, der Pevara aber gefiel. Sie sah keinen Grund, ihre Möbel oder etwas anderes nur wegen den Launen des Augenblicks zu ändern. Die Stühle hatten ihr seit ihrer Anfertigung gedient, und mit ein paar zusätzlichen Kissen waren sie bequem. Tarna saß jedoch steif auf der Stuhlkante. Niemand hatte sie je als schwach bezeichnet, aber ihr war offensichtlich unbehaglich zumute.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob Gratulationen angebracht sind«, sagte sie und berührte die schmale rote Stola um ihren Hals. Der genaue Farbton war nicht vorgeschrieben, aber jeder,

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