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Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)

Titel: Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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ersparen, Kind. Vielleicht werden ein paar dir deine Fehleinschätzungen bewusst machen.« Alviarin fing an zu betteln, als Mesaana die Hand höher hob und sich ein Gewebe in der Luft formte, das sie nur zu gut kannte. Sie musste es der Frau begreiflich machen!
    Plötzlich ging ein Ruck durch die Schatten im Raum. Alles schien zur Seite gedrängt zu werden, als sich die Dunkelheit zu mitternachtsschwarzen Klumpen verfestigte. Und dann war die Dunkelheit verschwunden. Überrascht fand sich Alviarin mit flehentlich ausgestreckten Händen einer Frau aus Fleisch und Blut mit blauen Augen gegenüber, die in bronzeverziertes Grün gekleidet war. Eine quälend vertraut erscheinende Frau, die kaum über ihre mittleren Jahre hinaus zu sein schien. Sie hatte gewusst, dass sich Mesaana als Schwester maskiert in der Burg aufhielt, obwohl keiner der Auserwählten, denen sie begegnet war, irgendein Anzeichen von Alterslosigkeit gezeigt hatte, aber sie konnte das Gesicht keinem Namen zuordnen. Und sie erkannte noch etwas. Diese Frau hatte Angst. Sie verbarg es zwar, aber sie hatte Angst.
    »Sie ist sehr nützlich gewesen«, sagte Mesaana und klang alles anderes als ängstlich, mit einer Stimme, die sich Alviarins Erinnerung immer um ein Haar entzog, »und jetzt werde ich sie töten müssen.«
    »Du warst immer … übertrieben verschwenderisch«, erwiderte eine knirschende Stimme; sie war wie ein verfaulter Knochen, der unter einem Absatz zerbröckelte.
    Beim Anblick des großen Mannes in schwarzer Rüstung – sie bestand nur aus sich überlappenden Platten, wie die Schuppen einer Schlange –, der vor einem der Fenster stand, kippte Alviarin entsetzt um. Denn es war kein Mann. Das blutleere Gesicht hatte keine Augen; dort, wo sie hätten sein müssen, war nur glatte, tote weiße Haut. Sie war im Dienst des Dunklen Königs schon zuvor Myrddraal begegnet, und hatte es sogar geschafft, ihren augenlosen Blick zu erwidern, ohne sich von dem Entsetzen überwältigen zu lassen, das dieses Starren auslöste, aber dieser hier ließ sie auf dem Boden zurückkriechen, bis ihr Rücken gegen ein Tischbein stieß. Schleicher ähnelten einander wie zwei Regentropfen, sie waren hochgewachsen und schlank und identisch, aber dieser war einen ganzen Kopf größer, und er schien Furcht auszustrahlen, die in ihre Knochen sickerte. Ohne nachzudenken griff sie nach der Quelle. Und hätte beinahe aufgeschrien. Die Quelle war weg! Sie war nicht abgeschirmt; es war einfach nichts da, wonach sie greifen konnte! Der Myrddraal sah sie an und lächelte. Schleicher lächelten niemals. Nie. Ihr Atem kam in keuchenden Stößen.
    »Sie kann nützlich sein«, knirschte der Myrddraal. »Ich möchte nicht, dass die Schwarze Ajah vernichtet wird.«
    »Wer bist du, dass du es wagst, einen der Auserwählten herauszufordern?«, verlangte Mesaana verächtlich zu wissen, machte die Wirkung dann aber zunichte, indem sie sich die Lippen befeuchtete.
    »Glaubst du, Hand des Schattens ist bloß ein Name?« Die Stimme des Myrddraal war nicht länger knirschend. Hohl schien sie aus unvorstellbarer Ferne aus Höhlen zu schallen. Die Kreatur wuchs, als sie sprach, bis ihr Kopf die Decke berührte, zwei Spannen hoch. »Man hat dich gerufen, und du bist nicht gekommen. Meine Hand reicht weit, Mesaana.«
    Sichtlich am ganzen Körper zitternd, öffnete die Auserwählte den Mund, vielleicht um zu bitten, und sie schrie auf, als ihre Kleidung zu Staub zerfiel. Ringe aus schwarzen Flammen banden ihr die Arme an die Seiten, wickelten sich eng um ihre Beine, und eine brodelnde Kugel aus reiner Schwärze erschien in ihrem Mund und zwang ihren Kiefer weit auf. Sie wand sich, stand nackt und hilflos da, und der Ausdruck in ihren verdrehten Augen verursachte in Alviarin das Bedürfnis, sich selbst zu beschmutzen.
    »Willst du wissen, warum eine der Auserwählten bestraft werden muss?« Die Stimme war wieder das knochenzerreibende Knirschen, der Myrddraal scheinbar nur ein zu großer Schleicher, aber Alviarin ließ sich nicht täuschen. »Willst du zusehen?«, fragte er.
    Sie hätte sich mit dem Gesicht zu Boden werfen sollen, um ihr Leben betteln, aber sie konnte sich nicht bewegen. »Nein, Großer Herr«, schaffte sie es hervorzustoßen, obwohl ihr Mund so trocken wie Staub war. Sie wusste es. Es konnte nicht sein, aber sie wusste es. Ihr wurde bewusst, dass ihr Tränen die Wangen hinunterströmten.
    Der Myrddraal lächelte wieder. »Viele sind aus großer Höhe gestürzt, weil sie zu viel

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