Das Rad der Zeit 10. Das Original: Zwielichtige Pfade (German Edition)
bestand aus feinem grünem Tuch, wies einen erstklassigen Schnitt auf und hing bis fast zu seinen Knien und den umgeschlagenen Stiefelstulpen. Es gab keine Stickereien – vielleicht hätten ein paar nicht geschadet –, aber an den Ärmeln war ein Hauch von Spitze. Und er trug ein gutes Seidenhemd. Er wünschte sich, er hätte einen Spiegel gehabt. An einem solchen Tag musste sich ein Mann von seiner besten Seite präsentieren. Er hob den Umhang vom Bett auf und schwang ihn sich über die Schultern. Nicht so ein grelles Ding, wie Luca sie immer trug. Dunkelgrau, fast so dunkel wie die Nacht. Nur das Futter war rot. Die Umhangnadel bestand aus einfachen Silberknoten, die nicht größer als seine Daumen waren.
»Sie hat ihr Wort gegeben, Bayle«, sagte Egeanin. »Ihr Wort. Das wird sie nicht brechen, niemals.« Egeanin klang völlig überzeugt. Jedenfalls überzeugter, als Mat es war. Aber manchmal musste ein Mann ein Risiko eingehen. Selbst wenn es sein Hals war, den er riskierte. Er hatte es versprochen. Und er hatte sein Glück.
»Es sein trotzdem Wahnsinn«, murrte Domon. Aber er trat mürrisch von der Tür weg, als Mat seinen breitkrempigen schwarzen Hut aufsetzte. Nun ja, jedenfalls, als Egeanin ihn mit einem schnellen Ruck ihres Kopfes dazu aufforderte. Seinen finsteren Blick behielt er aber bei.
Sie folgte Mat aus dem Wagen, schaute finster drein und fummelte an der langen schwarzen Perücke herum. Vielleicht fühlte sie sich damit noch immer unbehaglich, vielleicht saß sie jetzt auch anders, nachdem Egeanins Haar seit einem Monat darunter gewachsen war. Aber noch nicht genug, um ohne Perücke gehen zu können. Nicht, bevor mindestens weitere hundert Meilen zwischen ihnen und Ebou Dar lagen. Vielleicht würde es nicht sicher sein, bevor sie die Damonaberge nach Murandy hinein überquert hatten.
Der Himmel war wolkenlos, die Sonne erklomm gerade den Horizont und stand noch hinter der Segeltuchmauer des Wanderzirkus, und der Morgen war nur warm im Vergleich mit einem Schneesturm. Es war nicht die Kühle eines Spätwintermorgens bei den Zwei Flüssen, sondern eine Kälte, die tief in einen hineinkroch und den Atem in kaum sichtbare Wölkchen verwandelte. Die Zirkusleute eilten umher wie Ameisen in einem Ameisenhaufen, dem man einen Tritt versetzt hatte, und erfüllten die Luft mit lautstarken Rufen, wer die Jonglierreifen weggeräumt oder sich ein Paar rot gestreifter Hosen geliehen oder die Auftrittplattform verrückt hatte. Es sah aus und klang wie der Anfang eines Aufruhrs, aber in keiner der Stimmen lag echte Wut. Sie brüllten ständig herum und fuchtelten mit den Armen, aber vor einer Vorstellung kam es nie zu Handgreiflichkeiten, und irgendwie würde jeder Artist an seinem Platz sein, bevor man die ersten Zuschauer einließ. Sie waren ja vielleicht langsam wie die Schnecken, wenn es darum ging, sich reisefertig zu machen, aber eine Vorstellung bedeutete Geld, und dafür konnten sie sich flink bewegen.
»Ihr glaubt ernsthaft, Ihr könntet sie heiraten«, murmelte Egeanin, die an seiner Seite ging und dabei gegen ihre abgetragenen braunen Wollröcke trat. An Egeanin war nichts Zierliches. Sie hatte einen großen Schritt, und sie hielt mühelos mit. Ob Kleid oder nicht, sie schien ein Schwert an der Hüfte zu brauchen. »Es gibt keine andere Erklärung. Bayle hat recht. Ihr seid wahnsinnig!«
Mat grinste. »Die Frage ist doch, will sie mich heiraten? Manchmal heiraten die seltsamsten Leute.« Wenn man wusste, dass man hängen würde, konnte man nur noch eines machen: die Henkersschlinge angrinsen. Also grinste er und ließ sie mit einem Stirnrunzeln auf dem harten Gesicht dort stehen. Er glaubte sie leise fluchen zu hören, auch wenn er es nicht verstand. Sie war schließlich nicht diejenige, die die letzte Person auf der Welt heiraten musste, die sie wollte. Eine Adlige, die nur aus kühler Reserviertheit bestand und die Nase hoch in der Luft trug, wo er Tavernenmädchen mit schmachtendem Lächeln und willigen Blicken mochte. Eine Thronerbin, aber nicht irgendein Thron, vielmehr der Kristallthron, der Kaiserliche Thron von Seanchan. Eine Frau, die seinen Kopf wie ein Rad kreiseln und ihn sich fragen ließ, ob er sie gefangen hielt oder sie ihn. Wenn einen das Schicksal an der Kehle packte, blieb einem nichts anderes übrig, als zu grinsen.
Er schritt fröhlich aus, bis er in Sichtweite des fensterlosen purpurnen Wagens war, und dann blieb er abrupt stehen. Eine Gruppe Akrobaten, vier schlanke
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